Forschung verbessern mit digitalen Studien
Viele Studien sind mit einem erheblichen Aufwand verbunden â gerade fĂŒr Teilnehmer. Termin freihalten, extra anreisen und nicht zuletzt untersucht werden: All das erfordert Einiges an Einsatzbereitschaft. Umso gröĂer wiegen die VorzĂŒge von digitalen Studien, bei denen all das wegfĂ€llt.
Und bei der Frage, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf die LebensqualitÀt der Menschen in Deutschland hat, konnte das RKI erfolgreich von solch einer App-Lösung Gebrauch machen.
Die Corona Health App machtâs möglich
In Zusammenarbeit von Robert Koch-Institut und verschiedenen deutschen UniversitĂ€ten wurde hierfĂŒr die sogenannte âCorona Health Appâ entwickelt. Wer sich die App herunterlĂ€dt, kann dort unkompliziert verschiedene Fragebögen zur eigenen psychischen und körperlichen Gesundheit wĂ€hrend der Pandemie ausfĂŒllen.Â
All dies kann dann in Studien ausgewertet werden. Umso mehr Menschen teilnehmen, desto aussagekrÀftiger sind auch die Ergebnisse. Und dies ist in der aktuellen RKI-Studie aus Oktober 2021 eindrucksvoll gelungen.
Was das Robert Koch-Institut untersucht hat
Es war bereits aus vorherigen internationalen Studien bekannt, dass die Corona-EindĂ€mmungsmaĂnahmen und die damit einhergehenden Alltagsumstellungen potenziell einen erheblichen Effekt auf das Wohlergehen von Menschen haben können. Die Liste an möglichen Faktoren war dabei lang:
Potenziell LebensqualitÀt verringernde Faktoren in der Pandemie:
- Social-Distancing-Vorgaben
- EingeschrÀnkte Ausgehmöglichkeiten
- SchlieĂungen von Schulen und Kitas
- Doppelbelastung durch Beruf und Kinderbetreuung
- Angst, sich zu infizieren
- Sorge um die Gesundheit von Familienmitgliedern
- ExistenzÀngste durch Jobunsicherheit und EinkommensausfÀlle
- Arbeiten im Gesundheitssektor
- Vermehrte Einsamkeit unter Alleinstehenden
- Fehlender Zugang zu Balkon, Terrasse oder Garten
Allerdings war bis dahin noch offen, ob all die genannten Faktoren auch in der deutschen Bevölkerung eine Rolle spielen und welche Faktoren dabei besonders ins Gewicht fallen â alles mit Blick auf die LebensqualitĂ€t wohlgemerkt.
LebensqualitÀt wÀhrend der Pandemie
Der Begriff âLebensqualitĂ€tâ wurde in der Studie entsprechend der WHO definiert. Es wird also anhand genormter Fragen geschaut, wie jemand seine aktuelle Lebenssituation selbst bewertet â und zwar bezogen auf seine psychischen und körperlichen Zustand, seine Umwelt sowie seine sozialen Beziehungen. Die EinschĂ€tzungen sind also immer subjektiv.Â
Grob gesagt können Wissenschaftler so erfahren, in welchem AusmaĂ jemand positive GefĂŒhle empfindet oder aber durch negative GefĂŒhle belastet ist. Sie kriegen zudem einen Eindruck davon, wie sehr jemand durch seine körperlichen Beschwerden im Alltag eingeschrĂ€nkt ist.Â
Auch wird ersichtlich, wie zufrieden jemand mit seinen sozialen Beziehungen und der UnterstĂŒtzung von Freunden ist. Und nicht zuletzt kann anhand der Fragen zur Umwelt darauf geschlossen werden, wie sicher und gut versorgt sich jemand in seinem Alltag fĂŒhlt.
Aufbau und Ablauf der RKI-Studie
In der Studie wurden die Fragebögen von insgesamt 1.396 erwachsenen Teilnehmern ausgewertet, die ihre Antworten zwischen 23. Juli und 1. Dezember 2020 per Corona Health App ĂŒbermittelt hatten. Dieser Zeitraum umfasst also die relative Besserung nach der ersten Corona-Welle sowie die AnfĂ€nge der zweiten Welle â mit dem âLockdown lightâ also Folge.
Die Teilnehmer waren etwa zur HĂ€lfte mĂ€nnlich und weiblich (46,5 % Frauen, 52,7 % MĂ€nner, 0,9 % divers) und im Durchschnitt 42 Jahre alt. Das Beantworten der fĂŒr die Studie genutzten Fragen nahm etwa 20 Minuten in Anspruch.Â
Dabei wurde nach Alter, Anzahl der Haushaltsmitglieder, Geschlecht, Bildung, Arbeitsstatus, Arbeitsort, einem Beruf im Gesundheitswesen, der Wohnsituation (Balkon, Terrasse, Garten), Anzahl der Kinder im Haushalt, der Kinderbetreuung, dem Vorliegen einer chronischen Krankheit oder einer COVID-19-Infektion sowie psychischen Vorerkrankungen gefragt.Â
Zudem wurde der WHO-Fragebogen zur LebensqualitĂ€t (âWHOQOL-BREFâ-Fragebogen genannt) hinzugezogen. Daraufhin wurden die erhobenen Daten mit verschiedenen statistischen Tests ausgewertet.
Was uns die Ergebnisse sagen
Die Corona-Pandemie zeigt Spuren
Junge Menschen waren besonders betroffen. Denn erstaunlicherweise haben Ă€ltere Menschen die Pandemie in Sachen LebensqualitĂ€t besser weggesteckt als jĂŒngere. Auch Menschen mit geringerer Bildung litten stĂ€rker unter den Folgen der Pandemie.Â
Die Arbeitssituation machte ebenfalls einen Unterschied. So zeigte sich eine geringere LebensqualitĂ€t bei Menschen, die Pandemie-bedingt keiner geregelten BeschĂ€ftigung nachgehen konnten. Eine sichere Anstellung schĂŒtzte also gewissermaĂen.
Rentner, Menschen mit krankheitsbedingter ArbeitsunfĂ€higkeit sowie Hausfrauen und -mĂ€nner schnitten ebenfalls im Vergleich zu Festangestellten schlechter ab.Â
Moderne Arbeitsmodelle wie hybrides Arbeiten â also wenn Menschen sowohl im BĂŒro als auch im Home-Office arbeiten â hatten dagegen positive Auswirkungen auf die LebensqualitĂ€t. Dieser Effekt zeigte sich jedoch nur im Vergleich zu Menschen, die ausschlieĂlich im BĂŒro arbeiten. Es bestanden also keine Unterschiede zwischen Menschen, die ausschlieĂlich im BĂŒro oder ausschlieĂlich im Home-Office arbeiten. Die Mischung machtâs also vielleicht.
Frauen, JĂŒngere und Arbeitslose besonders betroffen
Auch bei der selbst wahrgenommenen psychischen und körperlichen Gesundheit schnitten Ă€ltere und gebildete Menschen im Schnitt besser ab. Die JĂŒngeren, welche zum Schutz der Risikogruppen viel Verzicht eingehen mussten, zahlten also durchaus einen Preis dafĂŒr.Â
Frauen kamen in diesen beiden Kategorien ebenfalls auf schlechtere Gesamtwerte. Ăhnlich sah es bei Rentnern, Arbeitssuchenden, Menschen mit krankheitsbedingter ArbeitsunfĂ€higkeit oder unsicherer BeschĂ€ftigung sowie Hausfrauen und HausmĂ€nnern aus.
Der schĂŒtzende Effekt von geregelter Arbeit zeigte sich auch bei der psychischen Gesundheit. Auch in dieser Kategorie schnitt das hybride Arbeitsmodell besonders gut ab.
Mit Blick auf das selbst wahrgenommene Sozialleben gab es jedoch eine Ăberraschung. Zwar schnitten hier die JĂŒngeren ebenfalls schlechter ab als Ăltere. DafĂŒr kamen Frauen in dieser Kategorie auf bessere Werte als MĂ€nner.
Auch hatten Personen, die im Gesundheitswesen tĂ€tig waren, subjektiv ein besseres Sozialleben. Ăhnliches galt fĂŒr Menschen, die in einem gröĂeren Haushalt lebten. Teilnehmer, die Kinder haben, gaben dagegen schlechtere Werte an. Dies könnte den vermehrten Strapazen bei der Kindererziehung wĂ€hrend der Pandemie geschuldet sein.
Hinsichtlich der Umwelt-bezogenen LebensqualitĂ€t zĂ€hlten wiedermals Ăltere und Menschen mit höherer Bildung zu den âGewinnernâ. Auch waren in dieser Kategorie Personen mit Zugang zu Balkon, Terrasse oder Garten im Vorteil.
Schlechtere Werte erzielten dagegen auch hier die JĂŒngeren, Menschen mit geringerer Bildung, Leute ohne geregelte Arbeit und Menschen mit ArbeitsunfĂ€higkeit.
Interessant war auch, dass sich die Werte â abgesehen von der sozialen LebensqualitĂ€t â mit Beginn der zweiten Corona-Welle deutlich verschlechterten. Also zu einem Zeitpunkt, wo auch die EinschrĂ€nkungen im Alltag als Teil des âLockdown lightâ wieder zunahmen.
Viel zu gewinnen in Zukunft
Es können also viele wertvolle Erkenntnisse fĂŒr die Zukunft mitgenommen werden. Die Folgen der Pandemie-bedingten Einschnitte in das Alltagsleben der JĂŒngeren sind hier sicherlich an erster Stelle zu nennen.Â
Ja, die jĂŒngeren Altersgruppen haben ein geringeres Risiko fĂŒr einen schweren Krankheitsverlauf. Das heiĂt jedoch nicht, dass die andauernde Belastung ohne Folgen fĂŒr sie geblieben wĂ€re.
Auch die Rolle von Menschen mit geringerer Bildung sowie Personen mit unsicheren ArbeitsverhĂ€ltnissen ist an dieser Stelle klar hervorzuheben. Hinsichtlich der LebensqualitĂ€t könnte man den Begriff der âRisikogruppeâ also durchaus weiter auslegen â und auch diese Menschen kĂŒnftig besser unterstĂŒtzen.
In jedem Fall hat die Corona Health App viel Licht ins Dunkel gebracht. Und das Beste ist: Wer motiviert ist, kann immer noch mitmachen.
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.