Neue Corona-Therapiemöglichkeiten
Die Entwicklung eines neuen Medikamentes ist ausgesprochen zeit- und kostenintensiv. Ăhnlich wie bei der Impfstoffzulassung durchlĂ€uft ein neues PrĂ€parat von der ersten Wirkhypothese im Labor bis zur erfolgten Zulassung zahlreiche Studienphasen [1].
In vielen FĂ€llen ist es fĂŒr Pharma-Unternehmen daher interessant zu testen, ob bereits existierende Medikamente auch bei COVID-19 als Behandlung in Frage kommen. Doch auch in diesem Szenario muss am Ende in klinischen Studien nachgewiesen werden, dass Menschen mit COVID-19 tatsĂ€chlich von besagtem PrĂ€parat profitieren. Auch das kostet Zeit und hat keine Erfolgsgarantie.
Der aktuelle Stand
Aktuell hat sich somit noch keine nachweislich wirksame Therapieform etabliert, mit der alle COVID-19-Erkrankten behandelt werden könnten. In den meisten FĂ€llen ist der Einsatz von COVID-19-Medikamenten vielmehr noch experimentell [2].Â
Ărzt:innen können die Medikamente dann als Teil einer Studie verschreiben â oder in einem sogenannten âCompassionate-Use-Programmâ. Bei Letzterem handelt es sich um einen Ansatz, bei dem meist schwerkranken Patienten mit unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten ein bestimmtes Medikament als Ausnahme zur VerfĂŒgung gestellt wird. Ob es hilft, bleibt dabei offen [2, 3].Â
Doch es tut sich etwas. So hat die WHO beispielsweise die groà angelegte SOLIDARITY-Studie gestartet, in der verschiedene BehandlungsansÀtze im direkten Vergleich an Tausenden COVID-19-Patient:innen getestet werden. Etliche weitere Studien sind aktuell am Laufen [2].
Und auch die Zulassung von Paxlovid ist als echter Meilenstein zu bewerten.
Wirkmechanismen verstehen
Die derzeit erforschten PrÀparate haben dabei teils komplett unterschiedliche Wirkmechanismen und setzen an verschiedenen Zielstrukturen an [2, 4]:
So zielen manche Medikamente darauf ab, dem Coronavirus das Anheften und anschlieĂende Eindringen in die Atemwegszellen zu erschweren. Andere Wirkstoffe dienen dem Zweck, die Virusvermehrung zu unterbinden, indem entweder das Ablesen des Virus-Erbguts gestört oder absichtlich âfalscheâ Bausteine in das Virus-Erbgut eingebaut werden [2, 4].
DarĂŒber hinaus gibt es AnsĂ€tze, bei denen COVID-19-Erkrankten entweder kĂŒnstlich hergestellte Antikörper oder aber die Immunreaktion modulierende Substanzen verabreicht werden [2, 4].
Auch wurde eine Zeit lang erwogen, die Antikörper von Genesenen als Behandlung einzusetzen. Ăhnlich wie bei einigen anderen PrĂ€paraten wurde dieser Ansatz jedoch aufgrund von mangelnder Wirksamkeit mittlerweile weitestgehend verworfen [2, 4, 5].  Â
Einsatz von Medikamenten bei COVID-19-Erkrankung
Infiziert sich jemand mit dem Coronavirus, stellt sich fĂŒr Ărzt:innen zunĂ€chst einmal die Frage, ob und wie schwer die betroffene Person an COVID-19 erkrankt. SchlieĂlich hat ein GroĂteil der Infizierten keinerlei oder nur milde Symptome [6].Â
In diesen FĂ€llen reicht es meist, die Infektion â Ă€hnlich wie eine ErkĂ€ltung â in Ruhe zu Hause auszukurieren. Medikamente spielen hier also selten eine Rolle [6].Â
FĂŒr wen Medikamente infrage kommen
Wichtiger werden Medikamente potenziell, wenn eine Person wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden muss â also einen schweren Verlauf hat [7].Â
Dabei kommen zahlreiche MaĂnahmen zum Einsatz, die eher allgemein auf bestimmte Symptome abzielen und auch bei anderen Erkrankungen regelmĂ€Ăig verwendet werden. Diese BehandlungsansĂ€tze sind also âunspezifischâ [6].
Dazu zÀhlt beispielsweise die medikamentöse Vorbeugung einer Gerinnselbildung, die Gabe von fiebersenkenden Medikamenten wie Paracetamol, die Fortsetzung der bereits bestehenden Medikation sowie die Möglichkeit zur Sauerstoffgabe, mechanischen Beatmung oder zum Lungenersatzverfahren [6].
FĂŒr viele der spezifischen COVID-19-Therapien ist dagegen entscheidend, in welchem Stadium der Erkrankung sich die betroffene Person befindet. Handelt es sich noch um die Anfangsphase, in der die Vermehrung des Coronavirus im Körper im Vordergrund steht oder ist die Krankheit eher schon fortgeschritten, wodurch die EntzĂŒndungshemmung wichtigstes Behandlungsziel wĂŒrde [8].
Wie man der Abbildung entnehmen kann, kommt es neben der Krankheitsschwere also maĂgeblich auf den genauen Zeitpunkt im Krankheitsverlauf an. Bestimmte COVID-19-Medikamente machen also keineswegs in jeder Situation Sinn [8].
Spezifische Behandlung bei COVID-19
Zu den Medikamenten, die gezielt zur EntzĂŒndungssenkung eingesetzt werden, zĂ€hlt das Glukokortikoid âDexamethasonâ. Allerdings wird der Einsatz nur bei COVID-19-Erkrankten mit schwerem Krankheitsverlauf empfohlen, die bereits Sauerstoff erhalten oder beatmet werden mĂŒssen. In diesem Stadium ist die Immunreaktion nĂ€mlich hĂ€ufig ĂŒberschieĂend und kann so gedrosselt werden [9].
Das COVID-19-Medikament âBaricitinibâ kommt ebenfalls in bestimmten Situationen zum Einsatz. Dieses Medikament stammt ursprĂŒnglich aus der Behandlung von rheumatischen Gelenkerkrankungen, hat jedoch eine potenziell antivirale Wirkung gezeigt. Auch Baricitinib wird derzeit nur bei COVID-19-Erkrankten mit schwerem Krankheitsverlauf erwogen [2, 10].
Ăhnlich sieht es mit dem PrĂ€parat âTocilizumabâ aus. Dieser Antikörper gegen den sogenannten âInterleukin-6-Rezeptorâ stammt ebenfalls aus der Behandlung der rheumatoiden Arthritis. In Studien hat er positive Effekte bei schwerkranken COVID-19-Patienten gezeigt und kommt daher in bestimmten Situationen zum Einsatz [2, 11, 12].
Das Medikament âRemdesivirâ zĂ€hlt zu den PrĂ€paraten, welche die Virusvermehrung unterbinden, indem absichtlich âfalscheâ Bausteine in das Virus-Erbgut eingebaut werden. Dieses PrĂ€parat kann bei COVID-19-Patienten sinnvoll sein, die zwar einer Krankenhausbehandlung bedĂŒrfen, aber aktuell noch nicht beatmet werden mĂŒssen [2, 13].
Paxlovid als Vorreiter
WĂ€hrend alle zuvor erwĂ€hnten PrĂ€parate primĂ€r in der Klinik bei schwer erkrankten Patient:innen zum Einsatz kommen, hat sich das Corona-Medikament Paxlovid als echter Vorreiter in der Corona-Behandlung âauĂerhalb von KrankenhĂ€usernâ herausgestellt â und das sogar mit offizieller Zulassung [14, 15].
So ist Paxlovid das erste antiviral bei COVID-19 wirksame Arzneimittel, das als Tablette in der EU zugelassen ist. Besteht eine entsprechende Indikation â also erfĂŒllt ein/e Patient:in die nötigen Voraussetzungen â, können Ărzt:innen das Medikament seit dem 25. Februar 2022 verschreiben [14, 15].
Jedoch wird Paxlovid keineswegs jedem COVID-19-Infizierten verordnet. Sinnvoll ist der Einsatz nur bei Menschen aus einer COVID-19-Risikogruppe, bei denen das Risiko fĂŒr einen schweren Verlauf erhöht ist. Denn durch das hohe Risiko von Arzneimittel-Wechselwirkungen ist bei der Paxlovid-Verschreibung groĂe Vorsicht geboten [16, 17].Â
Zudem ist es, um die volle Wirkung zu erzielen, essenziell, die Tablette frĂŒhzeitig einzunehmen. Laut Studien sollte dies innerhalb der ersten 5 Tage nach Symptombeginn erfolgen [16, 17].Â
Es gibt also viele hoffnungsvolle Trends in der Medikamentenentwicklung. Dennoch bleibt die Impfung nach wie vor der beste Schutz vor einer schweren COVID-19-Erkrankung.
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.