Grundverschiedene Ausgangslage
Gesundheitswesen in Ruanda
Auch schon vor der Corona-Pandemie bestanden groĂe Unterschiede zwischen Deutschland und Ruanda â Klima und Lage machen dies wohl am besten deutlich. So ist Ruanda als ostafrikanischer Binnenstaat durchschnittlich stolze 10 °C wĂ€rmer als Deutschland [1, 2].
Zudem ist Ruanda dreizehn mal kleiner, aber mit gut 12 Millionen Einwohnern dennoch mehr als doppelt so dicht besiedelt wie Deutschland [1, 2].
Spannend sind auch die demografischen Unterschiede zwischen beiden LĂ€ndern. WĂ€hrend Deutschland mit einem Durchschnittsalter von etwa 45 Jahren zu den Ă€ltesten Gesellschaften der Welt gehört, sind die Menschen in Ruanda mit einem Durchschnittsalter von 18 Jahren wesentlich jĂŒnger. Gerade mal 3 % der Menschen in Ruanda sind Ă€lter als 65 [1, 2, 3].
Zwar gehört Ruanda zu den afrikanischen Staaten mit dem gröĂten Wirtschaftswachstum. Dennoch zĂ€hlt es aktuell noch zu den Ă€rmeren LĂ€ndern der Welt. Dies zeigt sich auch mit Blick auf das Gesundheitswesen, wo in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht wurde, aber eben auch noch groĂe Herausforderungen warten [1]:
Denn Ruanda liegt mit etwa 8.919 Menschen pro Arzt und 1.261 Menschen pro Krankenpfleger noch hinter dem Durchschnitt von Subsahara-Afrika (5000 und 1000) â und sogar weit hinter globalen Durchschnittswerten (666 und 294). Zudem lebt die groĂe Mehrheit (83 %) der gut 12 Millionen Einwohner in lĂ€ndlichen Regionen, was zwangslĂ€ufig mit einer erschwerten Versorgungslage einhergeht [4, 5].Â
Die stĂ€dtischen Kliniken Ruandas sind durchaus fortschrittlich ausgestattet. So haben Ărzte bei Lungenversagen die Möglichkeit, ihren Patienten Sauerstoff zu geben oder sie ĂŒber eine sogenannte âIntubationâ kĂŒnstlich zu beatmen [4, 5].
Allerdings sind die Wege in die Kliniken weit, weswegen viele Menschen nur begrenzt von diesen Behandlungsmethoden profitieren können â und dies sowieso nicht in akuten Notfallsituationen [4, 5].
Auch gibt es insgesamt nur 167 Intensivbetten im Land â verglichen zu knapp 25.000 in Deutschland. Dementsprechend stellte die COVID-19-Pandemie das Gesundheitssystem in Ruanda â trotz des jungen Altersdurchschnitts â vor erhebliche Herausforderungen [4, 5, 6].
COVID-19-Management mit begrenzten Mitteln
Wie Ruanda bisher durch die Pandemie kam
Um sich die wesentlichen Besonderheiten beim Pandemie-Verlauf in Ruanda klarzumachen, hilft es, sich vier wichtige Aspekte zu vergegenwÀrtigen:
Wie bereits erwĂ€hnt sind die meisten Menschen in Ruanda vergleichsweise jung. Und bekanntlich ist das Alter einer der entscheidenden Faktoren, wenn es darum geht, wer zur Risikogruppe fĂŒr einen schweren COVID-19-Verlauf zĂ€hlt [1].Â
WĂ€hrend Hochrechnungen davon ausgehen, dass bei Corona-Infizierten im Alter von 20 bis 29 etwa 1 % wegen COVID-19 ins Krankenhaus muss, sind es bei den 50 bis 59-JĂ€hrigen bereits 4 % und bei den ĂŒber 80-JĂ€hrigen sogar 18 %. Dieselbe Inzidenzzahl kann in Ruanda also etwas komplett anderes heiĂen als in Deutschland [7].
Der nĂ€chste wichtige Aspekt sind die eingeschrĂ€nkten Testmöglichkeiten. Selbst in Deutschland dauerte es zu Beginn der Pandemie eine ganze Weile, bis genĂŒgend Testzentren aufgebaut und Labore in der Lage waren, in groĂem Umfang PCR-Tests durchzufĂŒhren [8].
In Ruanda ist dieser Faktor noch um ein Vielfaches gröĂer, weswegen sowohl die Feststellung der genauen Fallzahlen als auch die EindĂ€mmung der Virus-Ausbreitung mithilfe von hĂ€ufig durchgefĂŒhrten Schnelltests eingeschrĂ€nkt ist [4, 5].Â
So erreichten die Inzidenzzahlen in Ruanda im Juni 2021 mit Werten von 700 bis 950 neuen FÀllen pro Tag offiziell ihr Plateau. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Zahlen bei einer nach wie vor hohen Dunkelziffer in Wirklichkeit wesentlich höher liegen [5].
Der dritte Aspekt ist die eingeschrĂ€nkte VersorgungskapazitĂ€t in den Kliniken. Ja, die Bevölkerung ist insgesamt jĂŒnger. Aber die Zahlen an Intensivbetten und medizinischem Personal sind eben auch um Einiges geringer.Â
Dies fĂŒhrte dazu, dass die stĂ€dtischen Kliniken insbesondere im MĂ€rz 2020 an ihre Grenzen gerieten und ĂŒber VersorgungsengpĂ€sse berichteten. Wie viele Menschen aufgrund ihres Wohnortes in lĂ€ndlichen Gegenden ĂŒberhaupt gar nicht erst in eine Klinik kamen, kann dagegen nur vermutet werden [5].
Der vierte Aspekt, der einen maĂgeblichen Einfluss auf den bisherigen und aktuellen Pandemie-Verlauf hat, ist die noch niedrige Impfquote im Land. Denn laut des wöchentlichen Berichts des âRwanda Biomedical Centreâ â gewissermaĂen das âRKIâ Ruandas â wurden bisher erst gut 2 Millionen Einwohner vollstĂ€ndig geimpft. Die Impfquote liegt damit noch deutlich unter 20 % [9].
Dass sich die Lage im Land in den letzten Monaten trotzdem einigermaĂen stabilisiert hat, ist nicht zuletzt auf den Effekt eines strikt durchgefĂŒhrten Lockdowns zurĂŒckzufĂŒhren [5].
Und auch andere Anstrengungen tragen mehr und mehr FrĂŒchte:
Entwicklungshilfe und Zusammenarbeit wÀhrend Corona
RKI und CharitĂ© unterstĂŒtzen
Gerade durch eine enge internationale Zusammenarbeit konnte bereits viel erreicht werden. Neben den vielen ruandischen Gesundheitseinrichtungen und Kliniken vor Ort kamen dabei unter anderem der Charité und dem Robert Koch-Institut eine wichtige Rolle zu:
Ein entscheidender Tragpfeiler war hierbei das sogenannte EFFO-Projekt, welches bereits 2014 anlÀsslich der Ebola-Epidemie in Westafrika ins Leben gerufen wurde [10].
Somit mussten viele Strukturen und AblÀufe im Umgang mit einem pandemischen Geschehen nicht erst entwickelt werden. Stattdessen konnte in der COVID-19-Pandemie auf vielen bereits bewÀhrten Strukturen aufgebaut werden [10].
Gerade der direkte Austausch mit medizinischem Personal in Ruanda war dabei wesentlich. Konkret beinhaltete dies Webinare zum klinischen Management von COVID-19, Trainings zu Infektionskontrolle und Basishygiene, Spenden von IT-AusrĂŒstung sowie die Diskussion von relevanten Fachfragen [10, 11, 12].
Wichtig war, dass dem klinischen Personal vor Ort beim Umgang mit AusbrĂŒchen eine absolute SchlĂŒsselrolle zukommt. Denn einerseits sind die âFrontline Health Care Workerâ selbst in besonderem MaĂe gefĂ€hrdet und andererseits sind sie essenziell fĂŒr Fallerkennung und AusbruchseindĂ€mmung [10].
Um das Personal bestmöglich vorzubereiten, wurde in Abstimmung mit Dr. Menelas Nkeshimana (Vize-PrĂ€sident der Rwanda Medical Association) intensiv auf Online-Trainings als Strategie gesetzt. Die Medizinische Klinik der Infektiologie, Pulmologie und AnĂ€sthesie der CharitĂ© UniversitĂ€tsmedizin Berlin unterstĂŒtzte hier bei der inhaltlichen Ausgestaltung [5].
Inhalte der COVID-19-Online-Trainings waren zum Beispiel die bestmögliche COVID-19-Behandlung sowie Beatmungsstrategien, die an die lokalen Gegebenheiten des Landes angepasst sind. Die Trainings wurden von immerhin 130 ruandischen Klinikmitarbeitern wahrgenommen [5].
Auch der Ausbau der LaborkapazitĂ€ten wurde in einer gemeinsamen Anstrengung vorangetrieben. HierfĂŒr testete ein RKI-Team zunĂ€chst den PCR-Assay im Labor des Rwanda Biomedical Centre (RBC). AnschlieĂend folgte eine zweitĂ€gige PCR-Schulung des Laborpersonals [13].
Zudem wurde bei der Lieferung von PCR-Reagenzien und wichtigen Materialien unterstĂŒtzt. So konnten die TestkapazitĂ€ten des Landes von 30.000 durchgefĂŒhrten Tests/Woche im Februar 2021 auf 160.000/Woche im Juli 2021 deutlich erhöht werden [12, 13].
Insgesamt zeigt sich also, dass die Ausgangslage in Ruanda eine gĂ€nzlich andere ist als in Deutschland. Die junge und eher lĂ€ndlich lebende Bevölkerung in Ruanda ist dabei ein wesentlicher Faktor und die begrenzten Mittel im Gesundheitswesen stellen eine groĂe HĂŒrde dar.
Dennoch konnte dank regem Austausch und internationaler Zusammenarbeit bei der EindÀmmung, Diagnostik und Behandlung von COVID-19 bereits einiger Fortschritt verbucht werden.
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.