Eine Frage aus der Community
Eltern sorgen sich hĂ€ufig um die Mediennutzung ihrer Kinder. Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich die Problematik fĂŒr viele Eltern verstĂ€rkt. Aus der Community erreichten uns daher Fragen, wie die Wissenschaft die Lage einschĂ€tzt und wie viel Bildschirmzeit fĂŒr welches Alter akzeptabel ist.
Die Ărzte von Data4Life antworten
Liebe Leserschaft,
vielen Dank fĂŒr die Fragen! TatsĂ€chlich spiegelt das rege Interesse am Thema auch die steigende Problematik von Medienkonsum unter Kindern wider. Es handelt sich also keineswegs um Ausnahmen oder EinzelfĂ€lle, sondern betrifft zahlreiche Familien in unterschiedlichem AusmaĂ.
Welche Bedeutung das Thema gerade wĂ€hrend der Corona-Pandemie erlangt hat, zeigte erst jĂŒngst eine Studie der DAK-Gesundheit und des UniversitĂ€tsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Demnach nutzen etwa 4 Prozent aller 10- bis 17-JĂ€hrigen in Deutschland Computerspiele âkrankhaftâ. Das entspricht rund 220.000 Jungen und MĂ€dchen und einem Anstieg um 52 Prozent seit 2019 [1].
Um besser zu verstehen, was genau mit âkrankhaftâ gemeint ist, lohnt ein Blick auf die WHO-Definition der sogenannten Computerspielstörung (âGaming disorderâ), nach der sich die Studienautor:innen gerichtet haben [1, 2]:
Besteht bei einem Kind noch keine manifeste Computerspielstörung, kann es sich trotzdem bereits um die Vorstufe â das sogenannte riskante Spielverhalten (âHazardous gamingâ) â handeln [1].
In diesem Stadium werden von Betroffenen zwar ebenfalls negative Folgen aufgrund der zeitintensiven Nutzung in Kauf genommen. Jedoch sind die Konsequenzen zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten. Auch wird fĂŒr diese Definition keine Mindestdauer festgelegt [1].
Aus der Studie ging zudem hervor, dass Jungen dabei mehr als dreimal so hÀufig betroffen sind wie MÀdchen. Zudem hing der Anstieg der Mediensucht unmittelbar mit den lÀngeren Nutzungszeiten wÀhrend der Pandemie zusammen. Die durchschnittliche Gaming-Zeit an einem Werktag belief sich dabei auf 109 Minuten. 31 Prozent mehr als noch vor der Pandemie [1].
Auch bei anderen Medien zeigte sich ein Ă€hnliches Bild. Denn laut der DAK-Studie stieg auch bei Social Media die Mediensucht deutlich an. Hier belief sich der Anstieg seit 2019 auf etwa 44 % (von 3,2 auf 4,6 Prozent). Dies entspricht fast 250.000 Kindern und Jugendlichen, wobei Jungen etwa doppelt so hĂ€ufig betroffen sind wie MĂ€dchen [1].Â
Laut Studienleiter Prof. Thomasius dienen digitale Medien fĂŒr Kinder und Jugendliche als âMittel zum Umgang mit herausfordernden Situationenâ â so auch im Fall der vielen einschrĂ€nkenden MaĂnahmen wĂ€hrend der Corona-Pandemie. FĂŒr die vermehrte Nutzung gibt es also sehr nachvollziehbare und verstĂ€ndliche GrĂŒnde [1].Â
Jedoch sind die erhöhten Social-Media-Nutzungszeiten selbst wĂ€hrend der Lockerung von KontaktbeschrĂ€nkungen im Sommer nur begrenzt zurĂŒckgegangen. Mit 139 âSocial-Media-Minutenâ an Wochentagen lagen sie immer noch deutlich höher als vor Pandemiebeginn im November 2019 (116 Minuten) [1].
Kinder- und JugendĂ€rzt:innen sind daher alarmiert. âDa persönliche, familiĂ€re und schulische Ziele in den Hintergrund treten, werden alterstypische Entwicklungsaufgaben nicht angemessen gelöstâ, so Professor Thomasius. âEin Stillstand in der psychosozialen Reifung ist die Folge [1].Â
Dr. Thomas Fischbach, PrĂ€sident des Berufsverbands der Kinder- und JugendĂ€rzte sieht es Ă€hnlich: âEs ist zu befĂŒrchten, dass sich diese Fehlentwicklung auch nach Ende der Pandemie nicht einfach wird vollstĂ€ndig rĂŒckabwickeln lassen, zumal Eltern ihren Einfluss ĂŒber klare Medienregeln in der Familie der Situation nicht angepasst habenâ [1].
Weitere gut untersuchte Folgen von erhöhter Mediennutzung im Kindes- und Jugendalter ist die Entwicklung von Ăbergewicht, eine BeeintrĂ€chtigung der Sprach- und motorischen Entwicklung, eine reduzierte SchlafqualitĂ€t und -dauer sowie allgemeine körperliche und seelische Beschwerden [3].
Um Eltern bei all diesen Herausforderungen bestmöglich unter die Arme zu greifen, haben verschiedene FachverbÀnde der Kinder- und Jugendmedizin gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium ein paar Empfehlungen herausgearbeitet. Bezogen auf die altersbezogene Bildschirmzeit ist Folgendes festzuhalten [3, 4]:
Eine gute Ăbersicht zu weiteren Empfehlungen und Tipps finden Sie hier.Â
Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie schwierig die Umsetzung all dieser Empfehlungen im Familienalltag sein kann. Diese Diskussionen können schlieĂlich mit einigem Konfliktpotenzial einhergehen. Trotzdem lohnen sie! Somit hoffen wir, dass wir Ihnen mit unserer Antwort ein kleines StĂŒck weiterhelfen konnten.
Alles Gute,
das Ărzteteam von Data4Life
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.