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Health Wearables – medizinischer Einsatz und zukünftiger Nutzen

Vom klassischen Fitness Tracker bis hin zum Langzeitmonitoring

1. Wearables – der portable Weg ins Internet

In den Devices sind unterschiedliche Sensoren wie Beschleunigungs-, Licht-, Herzschlagsensoren oder GPS verbaut. Dadurch fungieren sie längst nicht mehr nur als Schrittzähler, sondern ermöglichen die Aufzeichnung des Schlafrhythmus, des Pulses oder auch des Blutdrucks. Die ermittelten Daten werden zur Speicherung und Auswertung über das Internet, Near Field Communication (NFC) – ein Funkstandard zur drahtlosen Datenübertragung – oder Bluetooth an ein Endgerät – zum Beispiel Smartphone – übermittelt [1]. Dabei können medizinische Wearables und Fitnesstracker eine reine Input/Output-Funktion übernehmen – wie in smarter Kleidung oder Datenbrillen –, aber auch über einen eigenen Computerchip – wie in Smartwatches – verfügen [2]. Der Nutzen geht also weit über die einfache Erweiterung des Smartphones hinaus. Am weitesten verbreitet sind Fitness- und Activity-Tracker, Sportuhren sowie Smartwatches. Doch haben mittlerweile zahlreiche weitere Gadgets wie Augmented Reality Brillen und intelligente Kleidung Einzug in die digitale Welt gehalten und ermöglichen nun auch einen weiteren portablen Weg ins Internet. 

2. Einsatz in Diagnostik und Therapie

Der Markt für Wearables wächst rasant. 2014 befanden sich weltweit erst 28,8 Millionen Wearables im Einsatz. Im Jahr 2019 lag der weltweite Absatz schon bei etwa 337 Millionen und bis zum Jahr 2024 rechnet man sogar mit 527 Millionen [3]. Dieses Potenzial haben Ärzte, Krankenkassen, Pharmaindustrie erkannt und die Wearables in den Fokus der medizinischen Forschung gerückt. Denn Wearables ermöglichen nicht nur eine digitale Selbstvermessung für die Nutzer, sondern liefern auch wertvolle Daten zur Prävention, Überwachung und Diagnostik von Krankheiten für medizinisches Personal [4, 5]. Das könnte in der Folge den Behandlungsaufwand für Ärzte und Therapeuten reduzieren und zur Senkung der Behandlungskosten beitragen [6]. 

2.1. Unterschiede zwischen Wearable und Health Wearable 

Damit ein Wearable auf dem deutschen Markt zu medizinischen Zwecken genutzt und vertrieben werden darf, muss es als Medizinprodukt zugelassen werden und strenge Kontrollen durchlaufen. Medizinprodukte sind Produkte mit medizinischer Zweckbestimmung für Menschen und unter anderem zur Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten bestimmt. Dazu gehören beispielsweise Implantate, Produkte zur Injektion, Infusionen, bestimmte Software, Katheter, Herzschrittmacher oder Sehhilfen. Für die Zulassung muss ein Nachweis erbracht werden, dass grundlegende Leistungs- sowie Sicherheitsanforderungen eingehalten werden. Zur Überprüfung müssen die Hersteller eine benannte Stelle mit der Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens beauftragen. Erst nach erfolgter Nutzen-Risiko-Bewertung erhält das Wearable eine CE-Kennzeichnung und darf als Medizinprodukt in Umlauf gebracht werden [7]. Bei der Überprüfung werden zudem auch die Schnittstellen und Dateninteroperabilität sowie die Datenschutzbedingungen bewertet. 

2.2. Vernetzte Gesundheit – Medizin und Vitaldaten

Laut einer Studie von Business Insider Intelligence wird allein in den USA die Zahl der Health Wearables bis 2023 auf über 120 Millionen wachsen. Dieser globale Aufwärtstrend hat großen Einfluss auf die Gesundheitsbranche [8]. Denn Wearables übernehmen immer mehr gesundheitsrelevante Funktionen und finden bereits breiten Einsatz im medizinischen Sektor, indem sie die Vitaldaten von Patienten erfassen, aufzeichnen und auswerten. Die intelligenten Tracker bieten die Möglichkeit einer verbesserten Vernetzung zwischen Träger und Gesundheitssystem. Beispielsweise könnten die aus Wearables generierten Daten dem Arzt bei Anamnesegesprächen und zur Diagnostik von großem Nutzen sein. Darüber hinaus ermöglichen die smarten Helfer durch das Sammeln großer Datenmengen Voraussagen zu möglichen gesundheitlichen Problemen zu treffen, bevor diese auftreten. Daraus ableitbare Präventionsmaßnahmen wären kostengünstiger als die sonst benötigten Therapien. 

2.2.1. Ferndiagnosen und Fernmonitoring

Einen weiteren Vorteil bietet die geringe Arztdichte in ländlichen Gebieten. Denn inzwischen existieren Wearables, welche nicht nur die Herzfrequenz registrieren, sondern Anzeichen von Vorhofflimmern – der häufigsten Form von Herzrhythmusstörungen  – zuverlässig erkennen. Unbehandelt kann Vorhofflimmern zum Schlaganfall führen – der dritthäufigsten Todesursache in Deutschland [9]. Die zum Wearable zugehörige EKG-App zeichnet über 30 Sekunden die Herzfrequenz auf und sendet bei unregelmäßigem Herzrhythmus eine Mitteilung an den Träger. Das erstellte EKG kann sogar als PDF exportiert und dem Arzt zur Verfügung gestellt werden. Damit werden also auch Ferndiagnosen und Fernmonitorings sowie rechtzeitige Krankenhauseinweisungen möglich. Zudem leiden in Deutschland ungefähr 20 Millionen Menschen an zu hohem Blutdruck mit dadurch bedingtem Risiko von Folgeschäden für Organe, Herzinfarkt und Schlaganfall [10]. Smartwatches können – mittels spezieller an der Gehäuseunterseite angebrachter Sensoren – die Pulslaufzeit und damit den Blutdruck berechnen [11]. Andere Wearables nutzen Fingersensoren, bei denen eine Elektrode ein Stromsignal durch den Körper sendet und die Herzfrequenz ermittelt. Daraus errechnet die Smartwatch, welche Zeit das Blut vom Herzen zur Fingerkuppe benötigt. Andere Systeme wiederum kommen einem klassischen Handgelenks-Blutdruckmessgerät sogar recht nah, da sie über eine innovative Technik verfügen, bei welcher sich das Armband der Smartwatch am Handgelenk aufpumpt und zuverlässig den Blutdruck misst. Darüber hinaus könnte auch durch Wearables mit Erinnerungsfunktion das Medikamenten-Einnahmeverhalten überwacht und bei Nichteinhaltung der Arzt oder die medizinischen Fachkräfte informiert werden [12]. Dadurch ließen sich Krankenhauseinweisungen infolge vergessener Einnahmen reduzieren.

2.2.2. Einsatz bei chronischen Erkrankungen

Health Wearables werden sogar bereits bei chronischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson eingesetzt [13-16]. Die Entwicklung intelligenter Pflaster, welche für Langzeit Monitoring oder Dosierung von Medikamenten genutzt werden, bieten den Anwendern einen höheren Komfort mit gesteigerter Lebensqualität. Spezielle Patches ermitteln das Schlafverhalten und finden sogar stationären Einsatz zur Verhinderung des Wundliegens. Durch die Tendenz zur Miniaturisierung werden die Gesundheitsgeräte zunehmend kleiner, vernetzter und vielseitiger und ersparen beispielsweise Diabetikern den mehrmals täglichen Blutzuckertest über die Fingerkuppen.

3. Nutzung der Bewegungsdaten

Wearables und Gesundheits-Apps werden von etwa jedem dritten Bürger genutzt und liefern wertvolle Daten und Informationen für das eigene Gesundheitsverhalten. Eine Studie mit über 500 Teilnehmern belegte, dass sich Träger von Wearables eher gesundheitsbewusst verhalten, sportlich aktiver sind und auf eine bessere Ernährung achten [17].

3.1. Frühzeitige Symptomerkennung bei Infektionen

Die Funktionen der Wearables könnten sogar Aufschluss darüber geben, ob eine potenzielle Infektion – zum Beispiel COVID-19 – vorliegt. Denn eine aktuelle Untersuchung des Robert Koch-Instituts zeigt, dass Fieber vermutet werden kann, wenn der Ruhepuls plötzlich und über mehrere Tage bei gleichzeitiger Reduktion der Schrittzahl erhöht ist. Auch Veränderungen der Schlafqualität können Anhaltspunkte für eine Infektion sein [18-20]. Eine weitere Studie des Rockefeller Neuroscience Instituts der West Virginia University nutzt eine spezielle Ring-Technologie in Kombination mit einer COVID-19-Überwachungs-App, welche die Früherkennung der Symptome beschleunigen und potenziell infizierte medizinische Fachkräfte identifizieren soll. Bei dieser Technologie findet eine ganzheitliche Betrachtung statt und berücksichtigt nicht nur erhöhte Temperaturen, sondern betrachtet zudem psychologisch-kognitive Auffälligkeiten wie Müdigkeit, Stress und Angst. Der aktuellen Untersuchung nach gibt diese Methode bereits 24 Stunden vor Auftreten der ersten Symptome Hinweise auf eine mögliche Infektion [21].

3.2. Nutzen von Health Wearables für Unternehmen

Sogar Unternehmen sehen Vorteile darin, ihren Mitarbeitern Wearables zur Verfügung zu stellen. Denn laut einer Studie von Business Insider Intelligence verringert eine gesündere Unternehmenskultur die Mitarbeiterfluktuation. Es zeigte sich nämlich, dass Arbeitgeber, die für das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter sorgten, nur eine Fluktuation von 18 % verzeichneten – verglichen mit einer Fluktuation von 29 % bei Unternehmen mit einem geringeren Angebot im betrieblichen Gesundheitsmanagement [8]. Es wäre nicht verwunderlich, wenn dieser Nutzen künftig von mehr Arbeitgebern erkannt und der Einsatz von Wearables in den Unternehmen etabliert wird.

3.3. Nutzen für Versicherungen

Ein großer Anbieter für Lebensversicherungen in den USA, John Hancock, gab Ende 2018 bekannt, nur noch interaktive Policen für Lebensversicherungen auszustellen, welche die Fitness- und Gesundheitsdaten der Versicherten mithilfe von Wearables tracken. Die Versicherungsgesellschaft nimmt mithilfe der Wearables Risikoprüfungen vor. Versicherte, die sich sportlich betätigen, zahlen reduzierte Beiträge. Im Gegenzug werden Kunden mit einem ungesunden Lebensstil in höhere Versicherungsbeitragsklassen eingestuft [22]. Es könnte durchaus sein, dass derartige Risikoklassifizierungen auch von anderen Versicherungen eingeführt werden. Die Chancen der Prävention durch eine aktive und gesunde Lebensweise haben auch manche Krankenkassen erkannt und bezuschussen die Anschaffung von Wearables. Kritiker warnen jedoch davor, dass die sensiblen Daten nicht nur für Bonuszahlungen bei aktiver Lebensweise, sondern auch zu erhöhten Beiträgen bei ungesunder Lebensweise führen könnten. Auch könnten die Krankenkassen durch Prüfung der Bewegungsmuster auf spätere Erkrankungen schließen und die Beiträge anheben. Daher ist es wichtig, dass sich die Anwender von Wearables darüber informieren, was mit den registrierten Daten geschieht und an wen diese in welcher Form zur Nutzung weitergegeben werden.

4. Fazit

Wearables eignen sich längst nicht mehr nur für Sportler und Fitnessfreunde, denn die Einsatzmöglichkeiten haben sich vervielfacht. Der Markt wächst stetig und auch die Gesundheitsbranche hat das große Potenzial erkannt. Der Einsatz von Health Wearables ist sowohl zur Prävention als auch zur Überwachung akuter und chronischer Erkrankungen möglich. Werden die gesammelten Daten Dritten (APP-Anbieter, Arzt, Therapeut, Versicherung etc.) zur Verfügung gestellt, setzt dies das Einverständnis der Träger bzw. Patienten voraus. Es bleibt also ratsam, die AGBs zu lesen und keinen leichtfertigen Umgang mit sensiblen Daten einzugehen.

Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.

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