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Gesünder per Smartwatch

Der Status quo bei Apple, Google & Co

Smartwatches zur Erkennung und Unterstützung von Krankheiten

Lifestyle-Trend oder wissenschaftlich fundiert?

Die Nutzung von Health Wearables nimmt stetig zu. In vielen Fällen dienen die Gesundheitsfunktionen von Smartwatches und anderen Wearables daher in erster Linie als nützliches Lifestyleprodukt [1]. 

Doch der Smartwatch-Einsatz im Rahmen ernstzunehmender Erkrankungen gewinnt allmählich an Relevanz. Dies hängt auch damit zusammen, dass der Nutzen vieler Smartwatch-Funktionen wissenschaftlich zunehmend besser verstanden und belegt werden kann [1].

Hier erfahren Sie, in welchen Gesundheitsbereichen es sich bei den Wearables noch um „fehleranfällige Spielereien” und wo um „echte Lebensretter” handelt.

Was die neuen Smartwatches können

Smartwatch für Blutdruck und Puls

Der Puls entsteht, indem sich die Blutgefäße in Folge eines Herzschlags weiten. Bei Menschen mit gesundem Herzen entspricht die Pulsfrequenz also in der Regel eins zu eins dem Herzschlag. Moderne Smartwatches sind in der Lage, die Pulsfrequenz am Handgelenk ausgesprochen präzise festzustellen. Dies konnte in verschiedenen Studien belegt werden [2, 3].

Die Zahl der Geräte, die über diese Funktion verfügen, ist enorm.Dabei sind die Geräte nicht nur in der Lage die reine Anzahl an Schlägen pro Minute festzustellen. Vielmehr ist es mittlerweile möglich, per Algorithmus die Regelmäßigkeit des Pulses zu analysieren. Ein Meilensprung in der Detektion von Herzrhythmusstörungen [2, 3].

Schwieriger ist die Angelegenheit beim Blutdruck. Moderne Smartwatches messen diesen meist mithilfe der sogenannten „Photoplethysmographie”-Methode, mit der an der Hautoberfläche Volumenänderungen in den Blutgefäßen mithilfe von Infrarotlicht festgestellt werden können. Ein Algorithmus kann die Messungen anschließend auswerten [4].

Zwar gibt es für diese Art der Messmethodik global bereits Medizinprodukte mit erfolgreicher ISO-Zertifizierung, welche akzeptable Messergebnisse aufweisen. Trotzdem bestehen in Vergleichstestungen mit gewöhnlichen Blutdruckmessgeräten immer noch teils nennenswerte Messabweichungen. Um hochwertige Ergebnisse zu erlangen, ist zudem meist eine individuelle Kalibrierung des Gerätes samt ausreichender Produktschulung nötig [4]. 

In Sachen Blutdruck haben Smartwatches – medizinisch gesehen – noch ein wenig Aufholbedarf. Es fehlen aktuell noch hochwertige Studien bei Bluthochdruck-Patient:innen. Das langfristige Potenzial für die Wissenschaft ist jedoch unumstritten [4].

Dennoch gibt es auch für diese Funktion unzählige Modelle.

Smartwatch für Sauerstoffsättigung

Vereinfacht gesagt handelt es sich bei der sogenannten Sauerstoffsättigung um den Anteil von mit Sauerstoff gesättigtem Hämoglobin im Blut. In der Medizin ist die Messung der Sauerstoffsättigung insbesondere nützlich, um die Sauerstoffversorgung im Körper beurteilen zu können und Rückschlüsse über die Atmung zu gewinnen [5].

Auch die Sauerstoffsättigung kann von Smartwatches mithilfe der „Photoplethysmographie”-Methode ermittelt werden. In Studien war die Genauigkeit der Messergebnisse allerdings noch dürftig. Zumal die Zahl an Studien insgesamt noch mager ist [2].

Zwar ist auch hier die Auswahl an möglichen Modellen groß – allerdings zumindest etwas überschaubarer als bei Puls und Blutdruck.

Smartwatch für EKG

Das sogenannte „Elektrokardiogramm” oder kurz EKG ist ein wichtiges Diagnoseverfahren, um Erkrankungen des Herzens festzustellen. Mithilfe von äußeren Elektroden kann so die Erregungsausbreitung im Herzen abgeleitet und in Form einer typischen Linie dargestellt werden [6].

Ersten Herstellern ist es nun gelungen, EKG-Messungen mit einer Smartwatch durchzuführen. Die Messergebnisse waren dabei in Studien teils erstaunlich akkurat. Dennoch ist bei dieser Funktion aktuell noch große Vorsicht geboten [7-9].

Denn bei den Smartphone-EKGs kommt es häufiger zu falsch-positiven Ergebnissen, bei denen auffällige Werte angezeigt werden, ohne dass eine Schädigung vorliegt. Auch falsch-negative Ergebnisse sind häufig, bei denen unauffällige Werte angezeigt werden, obwohl eine Schädigung vorliegt [9, 10].

Für die frühe Erkennung bestimmter Herzerkrankungen besteht langfristig dennoch großes Potenzial. Das Risiko, Menschen durch inkorrekte Ergebnisse ein unnötiges Gefühl der Besorgnis oder falschen Sicherheit zu vermitteln, kann zum jetzigen Zeitpunkt jedoch problematisch sein  [9, 10].

Auch hier liegt die Auswahl an derzeit erhältlichen Modellen im zweistelligen Bereich.

Smartwatch für mehr Bewegung

Die tägliche Bewegung kann mithilfe moderner Smartwatches ziemlich genau gemessen werden. Die Geräte können dabei Werte wie die tägliche Schrittzahl, die verbrachte Stehzeit sowie Gehzeit ermitteln [11, 12]. 

In Summe kriegen Nutzer:innen dadurch einen äußerst nützlichen Einblick in ihr tägliches Bewegungsverhalten. Dies allein kann enorm motivierend wirken. Studien konnten feststellen, dass Menschen, die diese Funktion nutzen, mehr tägliche Bewegung erlangen als Menschen ohne Wearable [12, 13].

Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, per Smartwatch Bewegungsaufforderungen zu erhalten. Auf diese Weise könnten sowohl Büroarbeiter:innen als auch sesshafte Senior:innen unkompliziert einen kleinen „Anstoß” erhalten [14].

Die Features rund um das Thema Aktivitätsmessung zählen zu den bewährtesten Smartwatch-Funktionen, weswegen die Auswahl an Modellen auch hier groß ausfällt.

Smartwatch zur Stresserkennung

Eine weitere Smartwatch-Funktion kann die Stresserkennung sein. Rückschlüsse auf das individuelle Stresslevel können dabei über Messwerte wie die Herzaktivität, Hautleitfähigkeit und Signale von Beschleunigungssensoren erfolgen. Die Auswertung erfolgt danach über spezielle Algorithmen [15, 16].

Zwar sind einige Studienergebnisse durchaus vielversprechend, dennoch ist die Aussagekraft von Smartwatch-Stressanalysen derzeit noch überschaubar. Dies liegt unter anderem daran, dass Stressmessungen in der realen Welt deutlich schwerer sind als solche mit „schwererem Gerät” unter Laborbedingungen. Die Smartwatch-Messungen müssen also künftig noch weiter verbessert werden, um für Individuen und Wissenschaftler:innen von größerem Nutzen zu sein [17].

Auch ist die Zahl an solchen Studien (Stresslevel gemessen mit Smartwatch im Alltag) aktuell noch dürftig [17]. 

Und nicht zuletzt sind nicht wenige Stressoren im Leben unterbewusst. Während die Flucht vor einem Löwen also relativ leicht über Vitalwerte messbar ist, wäre der Stress durch eine langfristig unzufriedene Arbeitssituation oder Ehe deutlich schwerer per Smartwatch erfassbar.

Auch Leute, denen dieses Feature wichtig ist, erwartet die berühmte „Qual der Wahl”. Denn die Liste an Anbietern ist wieder mal lang.

Smartwatch für Blutzuckermessungen

Die Möglichkeit, mithilfe einer Smartwatch kontinuierlich den eigenen Blutzuckerspiegel überwachen zu können, zählt zu den vielversprechendsten Anwendungsgebieten moderner Wearables. Allerdings braucht es hierfür mehr als die Smartwatch allein [18].

Denn bei der Messung wird der Blutzuckerwert in der Zwischenzellflüssigkeit ermittelt. Hierfür braucht es also einen Sensor, der von Betroffenen selbst unter die Haut eingeführt wird und dann alle 7 bis 14 Tage ausgewechselt werden muss. Eine andere Art von Sensor kann von einer medizinischen Fachkraft unter die Haut implantiert werden und dann für längere Zeit liegen bleiben [18].

Die Smartwatch ist in diesem Fall also nur das Endgerät, über welches man den Blutzuckerverlauf (in 5- bis 15-minütigen Intervallen) verfolgen kann. Ein Smartphone würde es im Zweifelsfall also auch tun [18]. 

Dieser Anwendungsbereich ist somit wesentlich aufwendiger, dann aber durchaus nützlich. Weitere, noch simplere Arten von Sensoren werden aktuell entwickelt. Fundierte Aussagen über deren Praktikabilität sind aktuell noch nicht möglich [19, 20].

Wer sich eine Übersicht, über aktuelle Smartwatch-Modelle für Diabetiker:innen machen möchte, kann dies hier tun.

Ausblick

Anwendungsbereiche von Smartwatches in der Medizin

Es kann also festgehalten werden, dass Smartwatches in den letzten Jahren einen beachtlichen Zuwachs an potenziell nützlichen Funktionen hingelegt haben. 

Es zeichnet sich zudem bereits ab, für welche Krankheitsbilder sie zunehmend an Bedeutung gewinnen:

Dazu zählt zum Beispiel Vorhofflimmern (und andere Herzrhythmusstörungen). Durch die Smartwatch kann hierbei ein unregelmäßiger Puls festgestellt und der Verdacht durch eine EKG-Messung weiter erhärtet werden [21, 22].

Die Studienergebnisse waren hierbei ausgesprochen vielversprechend. Hersteller wie Fitbit und Apple haben daher bereits groß angelegte Studien auf den Weg gebracht, um den nachhaltigen Nutzen ihrer Produkte zu belegen [22-24].

Damit wäre aber nur die Funktion nachgewiesen. Studien, inwieweit dadurch auch die Gesundheitsversorgung verbessert wird, fehlen bisher noch komplett. Da Vorhofflimmern jedoch extrem häufig und einer der wichtigsten Ursachen von Schlaganfällen ist, könnte der Nutzen aber durchaus groß ausfallen [25].

Auch beim Erkennen von Herzinfarkten haben Smartwatches ein großes Potenzial. Da Herzinfarkte ebenfalls mithilfe von EKGs diagnostiziert werden können, kann diese Smartphone-Funktion künftig einen echten medizinischen Durchbruch bringen. Erste Studienergebnisse sind hierbei vielversprechend – teils waren die Messungen jedoch ungenau [26, 27].

Ein weiteres Anwendungsgebiet ist Diabetes mellitus. Für eine gute Prognose der Erkrankung ist die optimale Einstellung des Blutzuckers samt Vermeidung von Entgleisungen essenziell. Wie oben erklärt können Smartwatches in Kombination mit Hautsensoren dabei einen immensen Beitrag leisten – und dies sogar schon heute [18].

Noch in den Kinderschuhen steckt dagegen der Smartwatch-Nutzen für Krankheitsbilder wie die sogenannte Schlaf-Apnoe sowie Epileptische Anfälle. Doch auch hier machen Studien Hoffnung [28].

Im Falle der Schlaf-Apnoe, bei der es zu meist unbemerkten nächtlichen Atemaussetzern kommt, kann mithilfe der Smartwatch potenziell ein Abfall der Sauerstoffsättigung registriert werden. So könnte eine frühe Diagnose mit rechtzeitiger Therapie gelingen [28].

Die Detektion von epileptischen Anfällen per Smartwatch wäre ebenfalls denkbar. Hierfür braucht es aktuell noch spezielle Sensoren, welche Temperatur, Hautleitfähigkeit und Beschleunigung registrieren. Alles Dinge, die perspektivisch in die Smartwatch integriert werden können [29].

Und nicht zuletzt kann ein weiterer medizinischer Nutzen in der Smartwatch-basierten Registrierung von Stürzen mit Bewusstseinsverlust bestehen. Auch hier werfen Studien ihre „vielversprechenden” Schatten voraus [30, 31].

Die Smartwatch kann somit langfristig zu einer wesentlichen Bereicherung für die Wissenschaft werden. Gerade in Sachen Prävention und frühzeitiger Krankheitserkennung können die Geräte einen echten Fortschritt bedeuten.

Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.

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