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Stoisch durch die Pandemie

Mit psychischen Tricks gelassener werden

Eine Frage aus der Community

So unterschiedlich die Leben unserer Community-Mitglieder auch sein mögen. Vermehrter Stress während der Pandemie ist bei fast allen zum Alltag geworden. Dementsprechend erreichten uns immer wieder Fragen nach Tipps zum Stressabbau. Gibt es bewährte Wege, trotz allem gelassener zu werden? Oder der Pandemie sogar etwas Positives abzugewinnen?

Die Ärzte von Data4Life antworten

Liebe Leserschaft,

vielen Dank für die Fragen! Die Herausforderungen, die uns heutzutage begegnen, mögen neu sein. Die Art wie Menschen auf Stress reagieren ist dagegen uralt.

Dementsprechend haben sich schon unzählige schlaue Köpfe und Philosoph:innen im Laufe der Jahrhunderte nützliche Gedanken zum Thema gemacht. Alte Weisheiten, die wir an dieser Stelle anzapfen möchten, um der Pandemie ein wenig gelassener zu begegnen. 

„Stoisch” zu sein, setzen viele Menschen mit Gleichgültigkeit oder Emotionslosigkeit gleich. Doch das ist weit gefehlt. Denn nicht wenige Stoiker:innen haben es sich lediglich zum Ziel gemacht, den negativen Emotionen im Leben weniger Raum zu geben. Die positiven Emotionen waren – und sind – dagegen immer willkommen [1-3].

Wir wollen Ihnen also keineswegs die kleinen Alltagsfreuden „schal” machen, sondern nur den Stress und Frust über die Pandemie-Widrigkeiten drosseln.

Eine grundlegende Beobachtung der Stoiker-Denkschule ist nämlich, dass ein Großteil des Leids, das Menschen im Leben erfahren, vor allem durch die eigene Reaktion auf ein Ereignis entsteht. Das Ereignis wird also wesentlich schlimmer, dadurch dass wir es als schlimm bewerten [1-3].

Und wir alle kennen es zu gut: Irgendeine Person lässt eine abfällige Bemerkung über uns los. Der Moment dauert nur kurz. Im Grunde sind es Nichts als Worte. Doch weil uns die Worte noch ewig im Kopf herumgeistern, können sie uns noch Stunden später komplett den Schlaf rauben [1-3].

In der Pandemie ist es so gesehen nicht anders. Wenn zum Beispiel eine Quarantäne jemanden tagelang dazu zwingt, isoliert zu Hause auszuharren, ist dies sicher nicht schön. Umso weniger man die Situation jedoch akzeptieren kann und sich stattdessen in „Was wäre wenn”-Szenarien stürzt, desto größer wird das eigene Leid. Ähnlich wäre es bei geplatzten Urlauben oder unergiebigen Streitgesprächen.

Ein guter Vergleich ist dabei der eines Waldbrandes: Dass im Alltag mal Funken entstehen (in der Pandemie sogar sehr oft), kann niemand verhindern. Wichtig ist jedoch, die Wut, den Ärger, die Enttäuschung oder was auch immer es ist, nicht Überhand nehmen zu lassen. Denn ab einem gewissen Punkt, kann das Feuer innerlich dann nicht mehr eingefangen werden [1-3].

Entscheidend dabei ist immer, ob die eigene Situation veränderbar ist – oder eben nicht. Ist sie veränderbar, kann aktiv nach praktischen Lösungsstrategien gesucht werden (das Sozialleben z.B. so aktiv und innovativ gestalten, wie eben gerade erlaubt ist). Doch nicht wenige Situationen sind eben nicht oder zumindest nur sehr begrenzt veränderbar. Die Dauer von Pandemien zum Beispiel. Und spätestens hier führt dann kein Weg am eigenen Mindset vorbei [1-3].

Oder wie die Stoiker:innen sagen würden: „Vergangenes ist vergangen” und „Tu, was du kannst, mit dem, was du hast” [1-3]. 

Eine weitere nützliche Überlegung basiert auf dem Prinzip der „hedonistischen Tretmühle”. In der Psychologie ist nämlich gut untersucht, dass das eigene Wohlbefinden ab einem bestimmten Mindestkomfort nicht langfristig durch neue Belohnungen gesteigert werden kann [1-3].

Egal ob teurere Wohnung, schöneres Auto oder exklusiverer Urlaub – es dauert nachweislich jedes Mal nicht lange, bis unser Zufriedenheitslevel wieder auf dem exakt selben Level wie davor ist. Man tritt also im Glücksstreben letztlich doch nur auf der Stelle. Was ernüchternd klingen mag, kann jedoch zum riesigen Trumpf werden [1-3].

Die Stoiker:innen nennen diese Technik „Anchoring”. Statt nämlich immer „nach oben” zu schauen, was einem noch fehlt, um dann endlich glücklich zu sein, kann man den Blick hin und wieder mal umdrehen. Dafür muss man in der Menschheitsgeschichte nicht weit zurückgehen, um festzustellen, wie viel übler es einen treffen könnte [1-3].

Und mit Blick auf die Zukunft ist die Pandemie ein einziges „Anchoring”. Denn jede Entbehrung, die wir in Kauf nehmen mussten, wird uns in Zukunft daran erinnern, wie schön es ist, wieder entbehrungsfrei zu leben. Etwas, was wir vorher in dem Ausmaß so nie wahrgenommen hätten.

Die sogenannte „negative Visualisierung” kommt ebenfalls zunächst unkonventionell daher, kann aber wahre Wunder bewirken. Hier kann man sich bei allem, was man hat (Besitz, Beziehungen, Möglichkeiten) immer mal wieder vorstellen, wie es wäre, wenn man dies nicht hätte. Tiefe Dankbarkeit ist nicht selten das Ergebnis dieser Übung [1-3].

Speziell in der Pandemie kann es den Blick dafür schärfen, dass uns zwar einiges genommen wurde, aber bei weitem nicht alles. Und das, was noch da ist, kann dann mehr geschätzt werden.

In der „Letzte-Mal-Mediation” stellt man sich bei jeder Tätigkeit kurz mal vor, man würde sie zum allerletzten Mal tun. Denn wenn man ehrlich ist, wird jeder Mensch selbst die banalste Tätigkeit (selbst das in der Pandemie oft leidige Spazieren) irgendwann zum letzten Mal tun. Eine echte Chance auf einen Perspektivwechsel also [1-3].

Auch hilft bei jeglichen Rückschlägen die Vorstellung, dass wir daran wachsen können, wenn wir sie als Herausforderung – und nicht als Unglück – bewerten. Wer regelmäßig und enthusiastisch Widerstände angeht, ist vor künftigen Rückschlägen wesentlich besser gefeit. Die Pandemie ist hierfür also die bestmögliche „psychologische Hantelbank” [1-3].

Nicht jeder muss natürlich zum Stoiker werden. Doch wir hoffen, wir konnten Ihnen mit diesem Beitrag zu einem kleinen Perspektivwechsel verhelfen. Vielleicht ja sogar zu einem Schmunzeln.

Alles Gute,

das Ärzteteam von Data4Life

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Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.

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