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Patienteneinwilligung: Bessere Forschung dank Broad Consent

Der „Broad Consent”-Ansatz ist das Erfolgsmodell der Zukunft

1. Datenschutz bei Patientendaten

Bei jedem Arztbesuch entstehen Daten. Dies können Angaben zur Erkrankung, zu frĂŒheren Behandlungen, zu Laborergebnissen und vielem mehr sein [1-3]. 


NatĂŒrlich haben all diese Informationen eine ganz unmittelbare Relevanz fĂŒr die behandelnden Ärzt:innen sowie Patient:innen. Schließlich fußen hierauf alle Entscheidungen zum weiteren Vorgehen [1-3].

Patientendaten 

= alle Informationen zur Person, die anlÀsslich einer Untersuchung und Behandlung genutzt werden

Beispiele:

  • Daten aus Arztbriefen
  • Daten aus der Krankengeschichte 
  • Daten aus medizinischen Untersuchungen (Blutdruckmessungen, Röntgenbilder, Laborergebnisse etc.)
  • Daten aus dem Arzt-Patienten-GesprĂ€ch

Doch darĂŒber hinaus besteht unter Wissenschaftler:innen große Einigkeit, dass all diese Patientendaten – richtig genutzt – noch einen weit grĂ¶ĂŸeren, ĂŒber das Individuum hinausgehenden Beitrag leisten könnten [1]. 

Dies wĂŒrde gelingen, wenn man die anfallenden Daten aus der Patientenversorgung mit den im Alltag – beispielsweise ĂŒber Wearables – erfassten Real-World-Daten zusammenbringt und dann entsprechend mit der medizinischen Forschung vernetzt [1].

Diese bisher teils noch parallel existierenden „Datenwelten” wĂŒrden so vereint werden – mit dem entscheidenden Vorteil eines noch grĂ¶ĂŸeren Erkenntnisgewinns, vermehrter KrankheitsprĂ€vention und einer damit insgesamt besseren Gesundheit fĂŒr alle [1]. 

Damit all dies gelingt, bleibt die Kombination aus innovativen digitalen Lösungen und hochwertigem Datenschutz jedoch unverzichtbar. Denn nur wenn die nötige Sicherheit gewĂ€hrleistet ist, werden Patient:innen einwilligen, ihre Daten zur VerfĂŒgung zu stellen bzw. weiterzugeben [1, 4]. 

1.1. Die Patienteneinwilligung – Eine Definition

Der Begriff Patienteneinwilligung hÀngt vom jeweiligen Kontext ab:  

Im Krankenhaus- und Praxisalltag handelt es sich bei der Patienteneinwilligung klassischerweise um die nötige Zustimmung vor der DurchfĂŒhrung eines medizinischen Eingriffs, nachdem Ärzt:innen ihre Patient:innen darĂŒber ausreichend aufgeklĂ€rt haben [5]. 

Dadurch wird Patient:innen eine fundierte AufklĂ€rung ĂŒber Art, Umfang, DurchfĂŒhrung, Risiken, Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung, Erfolgsaussichten und Behandlungsalternativen einer anstehenden medizinischen Maßnahme rechtlich zugesprochen und garantiert [5]. 

FĂŒr die Forschung kommt dem Begriff der Patienteneinwilligung dementsprechend – kontextbedingt – eine andere Bedeutung zu [2, 3]: 

Hier handelt es sich um eine freiwillige (und spĂ€ter widerrufbare) Einwilligung in die Nutzung von Patientendaten fĂŒr medizinische Forschungszwecke [2, 3].

In diesem Artikel geht es ausschließlich um Zweiteres, also die breite Patienteneinwilligung im Rahmen von Forschungszwecken. Idealerweise werden hierfĂŒr folgende Schritte durchlaufen [2, 3]:

  • Ein/e Patient:in wird in einer medizinischen Einrichtung Ă€rztlich behandelt.
  • Im Rahmen der Behandlung werden Patientendaten erhoben (z.B. im Rahmen von Blutentnahmen, Biopsien oder operativen Eingriffen).
  • Personal der Einrichtung bittet den/die Patient:in, Ihre Patientendaten fĂŒr medizinische Forschungszwecke zur VerfĂŒgung zu stellen.
  • Eine offizielle AufklĂ€rung und Einwilligung erfolgt.
  • Die gewonnenen Patientendaten werden in einer Datenbank gesammelt.
  • Die Patientendaten können – unter strengen Kriterien – fĂŒr die medizinische Forschung genutzt werden.
  • Die FrĂŒherkennung, Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten kann dadurch fortlaufend verbessert werden.

GrundsĂ€tzliches Prinzip der Patienteneinwilligung ist also, dass die Einwilligung informiert erfolgt. Sie sollte also ausreichend prĂ€zise Informationen darĂŒber enthalten, welche Stelle fĂŒr welche Zwecke mit welchen Daten forschen können soll [6]. 

Dabei besteht jedoch eine wesentliche Herausforderung. Schließlich ist der Wert von Patientendaten fĂŒr kĂŒnftige wissenschaftliche Erkenntnisse dauerhaft. FĂŒr die Wissenschaft verlieren die Daten ĂŒber die Jahre somit keineswegs an Wert [6].

Vielmehr ist zum Zeitpunkt der Datenerhebung oft gar nicht absehbar, welche wissenschaftlichen Fragestellungen sich im weiteren Verlauf ergeben könnten. Dies ist der Grund, weswegen das Prinzip des sogenannten „Broad Consent” in der medizinischen Forschung immer wichtiger wird [6].

Beim „Broad Consent” bzw. der „Broad Consent”-Patienteneinwilligung handelt es sich – wie der Name suggeriert – um eine „breite Zustimmung” zur Datenverarbeitung fĂŒr Forschungszwecke. Die Patienteneinwilligung ist also umfassender sowie allgemeiner formuliert und damit weniger an ein einzelnes, gegenwĂ€rtiges Forschungsprojekt geknĂŒpft [6].  

Bei der Umsetzung dieses Prinzips warteten auf Deutschland als Forschungsstandort gleich mehrere HĂŒrden: 

ZunÀchst einmal bestehen zahlreiche organisatorische Herausforderungen aufgrund von verschiedenen behördlichen ZustÀndigkeiten zwischen Bund und LÀndern. So können bei bundesweiten Verbundprojekten bis zu 17 verschiedene Datenschutzbehörden involviert sein. Deren Auslegung des Datenschutzrechts kann durchaus unterschiedlich ausfallen, was dann viel Koordinationsaufwand mit sich bringt [6].

Gleichzeitig kann es ausgesprochen schwierig sein, eine Patienteneinwilligung ausreichend „informiert” zu gestalten („Ihre Daten werden fĂŒr Folgendes genutzt”) und gleichzeitig – im Sinne eines Broad Consents – eine Unbestimmtheit der Datenverarbeitung zu ermöglichen. Also die Daten auch zu einem spĂ€teren, noch unbekannten Anlass nutzen zu können [6]. 

Auch war es wichtig, bei der Umsetzung unbedingt gleiche Standards zu ermöglichen. WĂŒrde nĂ€mlich jedes Forschungsinstitut eine andere Art der Patienteneinwilligung einholen, wĂ€re es schwierig, die Daten deutschlandweit einheitlich fĂŒr Forschungsfragen nutzen zu können [2].

Um die Voraussetzung fĂŒr eine deutschlandweit einheitliche Nutzungsmöglichkeit der Daten fĂŒr medizinische Forschungsfragestellungen zu schaffen, wurde daher die sogenannte Medizininformatik-Initiative ins Leben gerufen – mit Erfolg [1].

1.2.1. Die Medizininformatik-Initiative

Die Medizininformatik-Initiative (MII) ist ein bundesweites, vom Bundesministerium fĂŒr Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Projekt, in dem Wissenschaftler:innen aus Medizin, Informatik und weiteren Fachrichtungen zusammenarbeiten [1]. 

ErklĂ€rtes Ziel ist, „Patientendaten, die wĂ€hrend eines Klinikaufenthalts entstehen, bundesweit digital zu vernetzen.” Die MII ist also der wesentliche Antreiber, wenn es darum geht, die Patientenversorgung besser mit der medizinischen Forschung zu verknĂŒpfen [1].

Die Initiative hat dabei bereits wesentliche Erfolge erreicht:

1.2.2. Broad Consent und die DSGVO

So hat die Konferenz der unabhĂ€ngigen Datenschutzbeauftragten des Bundes und der LĂ€nder am 15.4.2020 ihr EinverstĂ€ndnis zu einem bundesweit einheitlichen Mustertext fĂŒr die Patienteneinwilligung gegeben [2, 7].

Dies ist deswegen so bedeutend, weil es der medizinischen Forschung dadurch fortan möglich ist, auf Basis der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bundesweit eine breite Patienteneinwilligung (Broad Consent) fĂŒr die Nutzung von Patientendaten einzuholen [7].

Damit konnte dem Problem mit der fehlenden Einheitlichkeit erfolgreich begegnet werden. Ein riesiger Meilenstein fĂŒr die gesamte standortĂŒbergreifende medizinische Forschung [2, 7].

Und auch fĂŒr Patient:innen bedeutet dies mehr Transparenz und eine StĂ€rkung ihrer Autonomie. Schließlich ist die Einwilligung in den Mustertext (siehe unten) stets freiwillig und enthĂ€lt alle relevanten Informationen zum Umgang mit den Patientendaten [7].

Auch gibt es begleitend dazu ein zentrales Onlineangebot, mit dem die Öffentlichkeit ĂŒber alle aktuellen – auf den Patientendaten basierenden – Forschungsvorhaben informiert wird [7]. 

Laut Experten bedeutet dies, dass „die Gesellschaft live erlebt, wie ein lernendes Gesundheitssystem funktioniert”. Ohne das Broad-Consent-Prinzip wĂ€re dies nicht möglich gewesen [7].

2. Muster zur Einwilligung und Datenverarbeitung von Patientendaten

Den deutschlandweit einheitlichen Mustertext der Medizininformatik-Initiative (MII) zur Einwilligung und Datenverarbeitung von Patientendaten (Patienteneinwilligung) finden Sie als PDF-Datei hier. 

Im Folgenden erfahren Sie, welche Punkte darin im Wesentlichen enthalten sind.

2.1. Patienteninformation und -einwilligung zur Nutzung von Patientendaten

Das Dokument besteht aus einer 7-seitigen Patienteninformation sowie 4-seitigen EinwilligungserklÀrung zur Nutzung von Patientendaten (Patienteneinwilligung) [2, 3].

Im Dokument wird erklÀrt, dass die Einwilligung komplett freiwillig sowie jederzeit widerrufbar ist und den Betroffenen kein Nachteil entsteht, sollten Sie sich dagegen entscheiden [3].

Zudem wird auf den großen Nutzen eingegangen, der durch eine Bereitstellung der Patientendaten fĂŒr die Forschung mittels Broad Consent entstĂŒnde. Es werden Details der Datenverarbeitung dargelegt [3]. 

Beispielsweise werden einmal erfasste Patientendaten fĂŒr 30 Jahre ab der Einwilligung gespeichert, sofern kein Widerruf erfolgt. Die Einwilligung in die (erneute) Erhebung muss jedoch alle 5 Jahre erneuert werden [3].

Im Weiteren geht es darum, wie die entsprechenden Patientendaten wissenschaftlich genutzt werden. Hierbei wird der Begriff der Anonymisierung erklĂ€rt. Bei einer Weiterverwendung der Daten durch Wissenschaftler:innen sind also keine RĂŒckschlĂŒsse auf die jeweilige Person möglich [3].

Genauso wird der Begriff Codierung nĂ€hergebracht. Das heißt, alle unmittelbar eine Person identifizierenden Daten (z.B. Name, Geburtsdatum, Anschrift) werden durch eine Zeichenkombination ersetzt [3].

Es wird betont, dass eine medizinische Datenverarbeitung zu Forschungszwecken ausschließlich in LĂ€ndern mit hohem Datenschutzniveau zulĂ€ssig ist. So wird einem Missbrauch der Daten effektiv entgegengesteuert [3].

Und nicht zuletzt werden die Details zum Umgang mit Krankenkassendaten und Biomaterialien (z.B. Blutproben) dargelegt, welche in bestimmten FĂ€llen ebenfalls relevant fĂŒr die Patienteneinwilligung sein können [3].

Die Möglichkeiten einer spÀteren Kontaktaufnahme werden ebenfalls dargelegt [3].

Der Sprung in die Zukunft der medizinischen Forschung ist damit eindrucksvoll gelungen.

Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.

UrsprĂŒnglich veröffentlicht am

FAQs

Wann ist ein Patienteneinwilligung ungĂŒltig?

Es gibt verschiedene GrĂŒnde, aus denen eine Patienteneinwilligung ungĂŒltig sein kann. Handelt es sich um eine Patienteneinwilligung zur Nutzung von Patientendaten zu Forschungszwecken, sind Folgende die wohl wichtigsten [3]:

UngĂŒltig wĂ€re die Patienteneinwilligung z.B., wenn sie nicht freiwillig erfolgt oder von der betroffenen Person bereits widerrufen worden ist. Ebenfalls ungĂŒltig wĂ€re die Patienteneinwilligung, wenn sie bereits verjĂ€hrt und seitdem nicht aktualisiert worden ist [3].

Welche Einwilligungen gibt es?

In der Vergangenheit gab es – je nach Forschungseinrichtung – eine Vielzahl an verschiedenen Patienteneinwilligungen [7]. 

Dank der Medizininformatik-Initiative (MII) gibt es jedoch eine bundesweit einheitliche Version. Dadurch ist es der medizinischen Forschung fortan möglich, auf Basis der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bundesweit eine breite Einwilligung (Broad Consent) fĂŒr die Nutzung von Patientendaten einzuholen [7].

Wie kann man einwilligen?

Den deutschlandweit einheitlichen Mustertext der Medizininformatik-Initiative (MII) zur Einwilligung und Datenverarbeitung von Patientendaten finden Sie als PDF-Datei hier. 

Voraussetzung ist jedoch, dass Ihre Behandlungseinrichtung bereits Patientendaten zur medizinischen Forschung erfasst. Dies sind aktuell vor allem UniversitÀtskliniken. Eine Anwendung im niedergelassenen Bereich soll spÀter kommen [1].

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