Brustkrebs erkennen und behandeln
Brustkrebs ist die hĂ€ufigste Krebsart bei Frauen und betrifft im Schnitt jede achte Frau. Damit ist es ein Thema, dem die meisten Menschen im Laufe ihres Leben einmal begegnen werden â als Betroffene, Partner, Freunde oder Angehörige [1].
Gleichzeitig belegen die hohen Zahlen, wie viel Aufholbedarf weiterhin besteht: So haben Frauen mit genetischer Vorbelastung oder bestimmten hormonellen Risikofaktoren zwar ein höheres Risiko. Doch im Grunde kann es jede Frau betreffen â in seltenen FĂ€llen sogar MĂ€nner. Niemand kann also sicher vorhersagen, âobâ, âwannâ und âwieâ [2].
Und es gibt weitere HĂŒrden.
Bisherige HĂŒrden
Zum Beispiel zeigen sich Symptome bei Brustkrebs meist erst im fortgeschrittenen Stadium. Das können dann tastbare, nicht verschiebliche Knoten oder HautverÀnderungen der Brust sein. Beides nichts, was unmittelbar auffÀllt [3].
Die Behandlung ist aufwendig und kann aus gleich mehreren SĂ€ulen wie Operation sowie Strahlen-, Antihormon-, Antikörper- und Chemotherapie bestehen. Es gibt also nicht âdie eine Behandlungâ, die fĂŒr jeden Brustkrebs die richtige wĂ€r. Die individuellen Eigenschaften jeder Patientin mĂŒssen dagegen unbedingt berĂŒcksichtigt werden [4].
FĂŒr die Prognose sind Brustkrebsart und Therapieschema jedoch nur das eine. Essenziell ist, wie frĂŒh die Erkrankung von Ărzten erkannt wird â und das ist schwer. Das Abtasten der Brust durch Ărzte oder in Eigenregie ist sicherlich sinnvoll, aber konnte in Studien bisher keinen nachweislich Risiko-senkenden Effekt erbringen. Ăhnlich sieht es mit Ultraschalluntersuchungen aus [5, 6].
Mammografie zur Brustkrebs-FrĂŒherkennung
Einzig die sogenannte Mammografie ist als Methode mit gesicherter Reduktion der âbrustkrebsbezogenen Sterblichkeitâ belegt. Allerdings ist der Nutzen auch hier (noch) ĂŒberschaubar [6, 7]:
Umso mehr ruhen die Hoffnungen auf neuen Entwicklungen. Und diese machen Mut.
Neue KI-Methoden machen den Unterschied
Dass massive Verbesserungen möglich sind, zeigt allein schon der Blick zurĂŒck. Die sogenannte 10-Jahres-Ăberlebensrate â also der Anteil an Frauen, der die nĂ€chsten 10 Jahre nach Diagnosestellung ĂŒberlebt â hat sich seit den 70er-Jahren fast verdoppelt. Forschung und Innovation machen eben doch den Unterschied [8].
Brustkrebs frĂŒher erkennen
KĂŒnstliche Intelligenz (KI) könnte diesen Trend bald schon weiter verstĂ€rken. Der britische âNational Health Serviceâ (NHS) gab erst kĂŒrzlich die Förderung einer Studie zum KI-assistierten Brustkrebs-Screenings bekannt [8, 9].Â
Eine wesentliche Limitation von Mammografien besteht nĂ€mlich in den hohen Falsch-positiv- und Falsch-negativ-Raten. Wird eine VerĂ€nderung von Radiologen als Zeichen von Brustkrebs interpretiert, obwohl kein Brustkrebs vorliegt, wĂ€re das Ergebnis falsch-positiv. Besteht dagegen tatsĂ€chlich Brustkrebs, aber der Radiologe gibt fĂ€lschlicherweise Entwarnung, wĂ€re es falsch-negativ [10].Â
Und genau hier kann KĂŒnstliche Intelligenz die Diagnostik verbessern â laut einer hochrangig veröffentlichten Studie sogar sehr effektiv. So konnte gezeigt werden, dass ein KI-System Brustkrebs in den Mammografie-Bildern mindestens so prĂ€zise erkannte wie auf diese Aufgabe spezialisierte Radiologen [8-10].Â
NatĂŒrlich bleibt auch ein KI-System nicht ohne Fehler. Aber gerade im Zusammenspiel mit den Radiologen könnte die Messlatte perspektivisch ein ganzes StĂŒck höher gelegt werden. Das wĂ€re allein schon wertvoll, um dem wachsenden Mangel an Fachpersonal zu begegnen [8, 9].Â
So werden allein in GroĂbritannien aktuell mindestens 2000 Radiologen zusĂ€tzlich gebraucht, um all das durch die Pandemie angefallene Bildmaterial zu befunden [8].
Startups mit digitalen Brustkrebs-Lösungen
Auch verschiedene Startups widmen sich neuen LösungsansĂ€tzen. Hierzu zĂ€hlt zum Beispiel das britische âKheiron Medical Technologiesâ, das mit Hilfe von KI immerhin eine halbe Million Frauen auf Brustkrebs screenen will. Projekte wie diese sind also sicher nicht mehr nur âin den Kinderschuhenâ [8].
Zumal das Startup den ganzen Ablauf der Brustkrebs-FrĂŒherkennung im Blick behĂ€lt: Welche Patienten sollten priorisiert untersucht werden? Wie kann die BildqualitĂ€t verbessert werden, um Betroffene nicht erneut einbestellen zu mĂŒssen? Wie können bei positivem Test die anschlieĂenden Schritte beschleunigt werden? All diese Fragen bekommen so kĂŒnftig Antworten [11].
Das spanische Startup âThe Blue Boxâ arbeitet sogar daran, BrustkrebsfĂ€lle mittels Urinprobe und anschlieĂender KI-Auswertung zu finden. MIt dem Test sollen bestimmte Biomarker, die beim Vorliegen von Brustkrebs auftreten können, unkompliziert und schmerzfrei nachgewiesen werden können. Sicherlich aktuell noch Zukunftsmusik, doch ein vielversprechender Ansatz [8, 12].
Das indische Startup âNiramaiâ verfolgt dagegen einen Weg, bei dem ein KI-System bestimmte WĂ€rmebildaufnahmen auswertet und so RĂŒckschlĂŒsse ĂŒber das Vorliegen von Brustkrebs geben kann. Diese Herangehensweise könnte gerade fĂŒr Frauen in abgeschiedenen Regionen ein echter Gewinn sein [8, 13].
Therapien optimieren
Auch in anderen Bereichen kommen intelligente Lösungen zum Einsatz. So ist etwa eine von zehn Brustkrebspatientinnen nach ihrer ersten Behandlung von einem RĂŒckfall betroffen. Wieder ist die frĂŒhestmögliche Erkennung dieser FĂ€lle Prognose-entscheidend. Doch einem Team an Wissenschaftlern ist es nun gelungen, ein KI-Tool zu entwickeln, das 8 von 10 Patienten mit hohem RĂŒckfallrisiko erkennen kann [8].
Zudem spielt KI zunehmend eine Rolle bei der Entwicklung und Verbesserung von neuen Therapien. Eine EinschrĂ€nkung bestand lange darin, dass unterschiedliche Forschungseinrichtungen ihre Daten nicht ohne weiteres mit anderen teilen wollten. Gerade aus GrĂŒnden des Datenschutzes kann dies durchaus sinnvoll sein, schrĂ€nkt jedoch den wissenschaftlichen Fortschritt ein [8].Â
Eine neue Form der KI, die auch als âFederated Learningâ oder âFöderales Lernenâ bezeichnet wird, kann hier Abhilfe schaffen. Diese Form des Machine Learnings hat den Vorteil, dass die Daten verschiedener Forschungseinrichtungen nicht auf einem gemeinsamen Server zusammengefĂŒhrt werden mĂŒssten. Dennoch kann das KI-System an jedem einzelnen Datensatz trainiert werden. Der Lerneffekt der KI wĂŒrde also weiterhin auf der Gesamtheit aller Daten beruhen, ohne dass Institutionen ihre Daten mit externen Einrichtungen teilen mĂŒssten [8].
Auch wird aktuell noch relativ schlecht verstanden, weshalb bestimmte aggressive Brustkrebsarten nicht genĂŒgend auf die Chemotherapie anspringen. KĂŒnstliche Intelligenz könnte also dabei helfen, die relevanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Krebsarten ausfindig zu machen und in der Folge passgenaue Medikamente zu entwickeln [8].
All diese Fortschritte passieren zeitgleich. Sie werden Ărzte nicht etwa ersetzen, sondern sie besser machen und Ihnen die nötige Zeit zurĂŒckgeben, um mit ihren Patienten die wichtigen GesprĂ€che zu fĂŒhren: AbwĂ€gen verschiedener Möglichkeiten, Motivieren wĂ€hrend schwieriger Phasen und Trost Spenden, wenn doch mal alles zu viel wird [8].
Wachsende Bereitschaft gegenĂŒber KI-Systemen
Bei all dem vertrauen Menschen immer noch am meisten auf das Urteilsvermögen ihrer Ărzte. Doch neue Umfragen zeigen, dass die Skepsis gegenĂŒber KI-basierten Systemen im Zuge der Pandemie deutlich abgenommen hat [14].Â
Demnach betrachten nur noch 14 Prozent der Befragten in Deutschland KĂŒnstliche Intelligenz als âeher oder sehr negativâ. 2019 lag der Anteil noch bei 28 Prozent. Bis die Akzeptanz gegenĂŒber KI-Systemen, die den Ărzten im Klinikalltag bei einzelnen Arbeitsschritten assistieren, komplett ohne Vorbehalte ist, wird es jedoch womöglich noch ein bisschen Zeit brauchen [14].Â
Der Nutzen spricht jedoch zunehmend fĂŒr sich. So muss die Brustkrebsdiagnose in Zukunft nicht mehr gefĂŒrchtet werden.
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.