Klinische Impfstudien: wichtig, aber nicht perfekt
Kaum waren mehrere Corona-Impfstoffe auf dem Markt, entstand in der Ăffentlichkeit eine Art inoffizielles Ranking. Die Wirksamkeitsangaben der einzelnen Impfstoffe aus den Zulassungsstudien wurden wie in einem Katalog in jedem Freundeskreis miteinander verglichen: BionTech 95 %, Moderna 94 %, AstraZeneca 67 %, Johnson & Johnson 66 %. Alle wollten nur noch die âErstplatziertenâ. FĂŒr das Fortschreiten der Impfkampagne ein echtes Fiasko [1].
Zumal wichtige Hintergrundinformationen in der öffentlichen Diskussion fehlten: Die Zulassungsstudien erbrachten zwar allesamt den erforderlichen Wirksamkeitsnachweis â waren jedoch kaum miteinander vergleichbar. Denn die Zehntausenden in den klinischen Studien geimpften Menschen â zur HĂ€lfte mit dem Impfstoff, zur HĂ€lfte mit einem Placebo â wurden danach monatelang in ihrem Alltag nachverfolgt, ob sie COVID-19 entwickelten. Und das zu völlig unterschiedlichen Zeitpunkten in der Pandemie [1]. Â
Von den 43.000 Teilnehmern der BionTech/Pfizer-Studie infizierten sich letztlich 170 Menschen, wovon 162 in der Placebo- und 8 in der Impfstoffgruppe waren â macht 95 % Wirksamkeit. Das heiĂt jedoch nicht, dass von 100 geimpften Menschen nun stets 5 infiziert werden. Die 95 % beziehen sich stattdessen auf jede Einzelperson, die fortan bei erneutem Viruskontakt immer wieder ein fĂŒnfprozentiges Risiko hat [1].
Da die Studien von BionTech und Moderna ĂŒberwiegend zu einem Zeitpunkt erfolgten, als die Fallzahlen relativ niedrig waren, fiel somit auch die Exposition mit dem Virus gering aus. Ganz anders sieht es zum Beispiel bei Johnson & Johnson aus, deren Studie erst spĂ€ter und in LĂ€ndern mit hoher Fallzahl sowie vermehrten Virusmutationen erfolgte. Das Risiko sich im Alltag zu infizieren, dĂŒrfte hier also fĂŒr jede Einzelperson deutlich gröĂer gewesen sein. Der Wirksamkeitsvergleich hinkt folglich [1].
Abgesehen davon argumentieren viele Experten zu Recht, dass bei der Bewertung der Wirksamkeit andere Faktoren eine gröĂere Rolle spielen sollten. Wichtiger als die reine Infektionswahrscheinlichkeit ist, ob jemand schwer erkrankt, ins Krankenhaus muss oder sogar verstirbt. Und bei diesen Kriterien zeigten alle Impfstoffe hervorragende Ergebnisse. Kein geimpfter Studienteilnehmer musste ins Krankenhaus oder starb â trotz Infektion [1].
Warum es nun digitale Studien braucht
Unser Fazit ist also klar: Die klinischen Zulassungsstudien waren essenziell, um all die Corona-Impfstoffe zu ĂŒberprĂŒfen und die hochwirksamen auf den Markt zu bringen. Damit sind jedoch keineswegs alle Fragen geklĂ€rt. Und das macht weitergehende Untersuchungen so wichtig.
Daher fĂŒhrt die gemeinnĂŒtzige Organisation Data4Life aktuell die sogenannte eCOV-Studie durch. Dabei handelt es sich um eine COVID-19-Studie fĂŒr geimpfte und nicht geimpfte Erwachsene, durch die Informationen unter realen Alltagsbedingungen abseits von klinischen Studien gewonnen werden (âReal-World-Evidenzâ). So können COVID-19-Symptome, der Einfluss von Corona-Impfstoffen, die Nutzung von Tests sowie das Auftreten von Nebenwirkungen besser verstanden und verglichen werden. Die Teilnahme erfolgt rein digital.
âWĂ€hrend in LĂ€ndern wie den USA eine solche Einbeziehung der Bevölkerung als sogenannte âcitizen researchersâ in die Forschung â zum Beispiel durch die freiwillige Spende von Daten â bereits etabliert ist, befinden wir uns in Deutschland noch in den AnfĂ€ngen. Data4Life hat sich zum Ziel gesetzt, den Menschen in Deutschland mittels sicherer digitaler Lösungen die Möglichkeit zu geben, wissenschaftlichen Fortschritt aktiv mitzugestalten und dadurch die medizinische Forschung zu demokratisierenâ, erklĂ€rt PD Dr. Cornelius Remschmidt, Chief Medical Officer bei Data4Life, das Engagement der Organisation.
Dass die Bereitschaft zur Studienteilnahme durch die Pandemie gestiegen ist, zeigt eine aktuelle, reprĂ€sentative Umfrage von Data4Life, die unter 2.042 Teilnehmern in Deutschland durchgefĂŒhrt wurde.
All dies zeigt: Forschung ist immer nur so gut wie die Daten, auf denen sie beruht. Umso wichtiger ist die Bereitschaft von Menschen, die Wissenschaft aktiv zu unterstĂŒtzen. Dies gelingt mit einer Datenspende â also wenn Menschen bestimmte Informationen ĂŒber ihre Gesundheit der Wissenschaft zugĂ€nglich machen. Laut der Data4Life-Umfrage wĂ€chst die Bereitschaft zu einer Datenspende. Dazu hat auch die Pandemie und die Rolle von Impfstoffen beigetragen.Â
Wenn Sie mehr zum Thema Datenspende erfahren möchten, dann lesen Sie gerne unseren Ăbersichtsartikel. Darin erklĂ€ren wir, was Datenspende ist, wem Sie nutzt und warum sie immer wichtiger wird.
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.