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Schluckimpfung gegen Corona

Erste Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse

Die Schluckimpfung erklÀrt

Beim Wort „Impfung” denken die meisten Menschen vermutlich an den kleinen Pieks in die Schulter. Doch weit gefehlt: Zwar ist diese Art zu impfen mit Abstand am verbreitetsten. Doch in bestimmten FĂ€llen gibt es auch andere „Wege”, den Impfstoff in den Körper zu bringen. So auch bei der Schluckimpfung [1]. 

Bei einer Schluckimpfung wird – wie der Name schon andeutet – der Impfstoff als flĂŒssige Lösung heruntergeschluckt. Bei Kindern wird die Dosis jedoch meist behutsam in die Wange gegossen, da das Ausspucken so unwahrscheinlicher ist [2]. 

Genauso wie bei in die Schulter applizierten Impfstoffen kann es sich auch bei Schluckimpfungen um sogenannte Tot- als auch Lebendimpfstoffe handeln. Bei Letzteren enthÀlt der Impfstoff zwar einen Erreger, jedoch in abgeschwÀchter Form [3, 4]. 

Wissenschaftler sprechen dann von einem „attenuierten” Lebendimpfstoff. Dieser ist dann zwar noch in der Lage, eine Immunreaktion mit anschließender Antikörperbildung auszulösen. Bei Menschen mit funktionsfĂ€higen Immunsystem fĂŒhrt die Impfung wegen des abgeschwĂ€chten Erregers jedoch zu keinerlei Erkrankung [3, 4].   

Wichtig ist, dass der Impfstoff bei einer Schluckimpfung robust genug sein muss, um beispielsweise den Kontakt mit der MagensĂ€ure und Verdauungsenzymen zu ĂŒberstehen. Die gewĂŒnschte Reaktion des Immunsystems findet dementsprechend im Magen-Darm-Trakt statt. Bei Lebendimpfstoffen können die abgeschwĂ€chten Erreger im Verlauf noch fĂŒr ein paar Tage ĂŒber den Stuhlgang ausgeschieden werden [4-6]. 

Vor- und Nachteile von Schluckimpfungen

Generell weisen Schluckimpfungen eine ganze Reihe an Vor-, aber auch Nachteilen auf. Zu den Vorteilen zÀhlt sicherlich, dass die Gabe des Impfstoffs sowohl einfacher als auch angenehmer ist. Dies kann bei Menschen die Akzeptanz erhöhen und auch das Risiko von Stichverletzungen beim impfenden Personal senken [5].

Zudem ist die Produktion und Lagerung dieser Impfstoffe tendenziell gĂŒnstiger. Sie bedĂŒrfen einer weniger strengen KĂŒhlkette. Außerdem entstehen weniger medizinische AbfĂ€lle durch alte Nadeln, Handschuhe oder sterile Hygienematerialien. Kein unwichtiger Vorteil, wo die WHO bereits vor Nadel-EngpĂ€ssen gewarnt hat [5, 7, 8].

Auch fĂŒhrt die Schluckimpfung, wenn sich um einen Lebendimpfstoff handelt, zu einer starken Stimulation von sowohl einer Antikörperbildung als auch von bestimmten Zellen des Immunsystems. Der schĂŒtzende Effekt der Impfung ist dadurch oft sehr nachhaltig [5, 7].

Zu den Nachteilen zĂ€hlt unter anderem, dass Schluckimpfungen als Lebendimpfstoffe bei Menschen mit geschwĂ€chtem Immunsystem ungeeignet sind. Dies gilt fĂŒr alle Lebendimpfstoffe und sollte im Zweifelsfall mit einem Arzt besprochen werden. Außerdem können sie an Wirkung einbĂŒĂŸen, sollte die Person an einem Magen-Darm-Infekt mit Durchfall leiden [4]. 

Da die Erreger des Impfstoffs noch ein paar Tage ĂŒber den Stuhlgang ausgeschieden werden können, sollte die geimpfte Person nicht in einem Haushalt mit Menschen aus einer Risikogruppe leben – vor allem, wenn sie dasselbe Bad nutzen. Handelt es sich bei der Schluckimpfung dagegen um einen Totimpfstoff besteht dieses Problem natĂŒrlich nicht [4, 6].

Schluckimpfungen in Aktion

Schluckimpfungen kommen bereits zum Schutz vor bestimmten Infektionserkrankungen erfolgreich zum Einsatz. Hierzu zÀhlen die Impfungen gegen Rotaviren, Cholera und Typhus [1]. 

Rotaviren, Cholera, Typhus

Rotaviren sind die hĂ€ufigsten Auslöser von Magen-Darm-Infekten bei Kindern. Als Teil des Impfkalenders empfiehlt die STIKO des RKI daher die Lebendimpfung gegen Rotaviren fĂŒr alle SĂ€uglinge unter 6 Monaten – und das per Schluckimpfung [6].

Die Kinder kriegen also ab einem Alter von 6–12 Wochen zwei bis drei Impfdosen mit zeitlichem Abstand als Lösung zum Herunterschlucken und haben anschließend einen Schutz fĂŒr etwa zwei bis drei Saisons [6].

Bei Cholera besteht ebenfalls die Möglichkeit zur vorbeugenden Schluckimpfung. Allerdings handelt es sich in diesem Fall um einen Totimpfstoff. Anders als bei Rotaviren gibt es fĂŒr die Cholera-Impfung jedoch keine generelle Impfempfehlung der STIKO. Vielmehr dient sie als Reiseimpfung bei Aufenthalt in Risikogebieten [9].

Das dritte Beispiel, wo Schluckimpfungen lĂ€ngst zum Einsatz kommen, ist Typhus. Zwar gibt es hier ebenfalls einen Impfstoff zur Anwendung in der Schultermuskulatur. Doch besteht alternativ die Möglichkeit zur Schluckimpfung – in diesem Fall wieder mit Lebendimpfstoff. Auch hier ist die Impfung nur bei Aufenthalt in bestimmten Risikogebieten sinnvoll [10].

Schluckimpfung gegen COVID-19

Bekanntlich kamen in der Corona-Pandemie bisher noch keine Schluckimpfungen zum Einsatz. Doch neue Studien zeigen, dass dies perspektivisch durchaus eine Möglichkeiten werden könnte [11, 12].

Ergebnisse aus aktuellen Studien

Eine Tierstudie zeigte jĂŒngst besonders vielversprechende Ergebnisse. Dabei wurde Makaken-Affen eine COVID-19-Schluckimpfung verabreicht, bei denen die Corona-Antigene ĂŒber ein harmloses TrĂ€gervirus in die Zellen des Magen-Darm-Trakts geschleust werden [13, 14].

Die Makaken waren bereits zuvor auf herkömmlichem Weg gegen COVID-19 immunisiert worden. Die Schluckimpfung erfĂŒllte also die Rolle einer Booster- bzw. Auffrischimpfung. Bei den Affen stieg der Antikörperspiegel eine Woche nach der Impfung um das fast 100-fache, ohne dass es zu Nebenwirkungen kam [13, 14].

Laut Studienleiter Dr. Stephen Russell wĂ€re eine solche Impfung damit nicht nur leichter durchfĂŒhrbar und angenehmer, sondern hĂ€tte auch den Vorteil, das Immunsystem schon an der Lokalisation zu trainieren, wo die Coronaviren auch sonst mit dem Körper in Kontakt treten – nĂ€mlich an den SchleimhĂ€uten von Zunge, Wangen und Rachen [13, 14].

KĂŒnftiger Booster in der Pandemie?

Ein Grund, weswegen Forscher so viel Hoffnung in die Schluckimpfung stecken, ist ihr potenzieller Beitrag auf dem Weg zur globalen HerdenimmunitÀt [14, 15].  

Denn einerseits könnten Schluckimpfungen mehr Akzeptanz bei einem Teil der bisherigen Impfverweigerer finden – gerade bei Menschen mit Nadelangst. Und andererseits wĂ€ren diese Art von Impfstoffen gĂŒnstiger zu produzieren und wohl auch lĂ€nger ohne intakte KĂŒhlkette haltbar. Ein entscheidender Vorteil in Ă€rmeren Regionen der Welt [14-16].

Abbildung zu den Impfraten in verschiedenen LĂ€ndern der Welt
Vergleich der weltweiten Impfrate Quelle

Und nicht zuletzt könnten die Corona-Schluckimpfung – wie im Beispiel mit den Affen – gerade auch als Booster-Impfung sehr geeignet sein. Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer Booster-Impfung ist mittlerweile fĂŒr Ă€ltere Menschen gut untersucht [17]. 

So weiß man aus Studien, dass vollstĂ€ndig Geimpfte sich mit Booster-Impfung etwa zehnmal seltener infizieren als ohne Booster-Impfung oder dass die Booster-Impfung das Risiko fĂŒr COVID-Symptome um etwa 95,6 Prozent senkt [17]. 

Als Booster wĂŒrde der Lebendimpfstoff einer potenziellen Corona-Schluckimpfung also auf ein bereits vorbereitetes Immunsystem treffen und dieses womöglich noch „den einen Schritt besser” auf das tatsĂ€chliche Virus vorbereiten. 

FĂŒr Menschen mit Angst vor Nadeln könnte also kĂŒnftig eine lohnende Alternative als Booster-Impfung bereitstehen.

Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.

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