Affenpocken-Ausbruch in Deutschland
Was bisher bekannt ist
In Deutschland kam es im Mai 2022 zu einer Reihe von Affenpocken-Infektionen innerhalb der Bevölkerung. Bis zum 27.5. wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) insgesamt 16 AffenpockenfÀlle aus 6 BundeslÀndern gemeldet. Mit weiteren FÀllen ist jedoch zu rechnen [1].
Bei den FĂ€llen besteht ein Zusammenhang zu weiteren Affenpocken-Infektionen, die weltweit auĂerhalb Afrikas von Behörden erfasst worden sind. Laut WHO konnte die Erkrankung demnach bereits in LĂ€ndern wie Australien, Kanada, den USA und zahlreichen europĂ€ischen Nachbarstaaten nachgewiesen werden [1, 2].
Viele Ăbertragungen sind dabei im Zuge von Sexualkontakten erfolgt. Bei der Ăbertragung steht jedoch der enge Körperkontakt im Vordergrund. Die Erkrankung kann somit potenziell jede Person betreffen. Aktuellen Meldungen zufolge erkrankten die Betroffenen bisher nicht schwer [2, 3].
Wie groĂ die Dunkelziffer an noch nicht bestĂ€tigten FĂ€llen derzeit ist, bleibt jedoch vorerst unklar. Dies liegt zum Einen daran, dass die bisher bekannten FĂ€lle aktiv eine Ă€rztliche Sprechstunde oder Klinik aufsuchten. Zum Anderen fĂ€llt die Inkubationszeit â also der Zeitraum zwischen Ansteckung und Krankheitsbeginn â mit 7 bis 21 Tagen relativ lang aus [2-5].Â
Um die ZusammenhĂ€nge besser zu verstehen, werden in betroffenen LĂ€ndern derzeit umfangreiche Nachverfolgungen von Kontaktpersonen, Labortests bei VerdachtsfĂ€llen sowie IsolierungsmaĂnahmen bei Betroffenen durchgefĂŒhrt [2].
DarĂŒber hinaus helfen gezielte Genom-Sequenzierungen, um den Stamm des jeweiligen Virusâ genau zu ermitteln und den Virusursprung besser zu identifizieren. Expert:innen erarbeiten derzeit Empfehlungen fĂŒr eine mögliche Impfung von Kontaktpersonen und Risikogruppen [2].
Wieso Affenpocken in Europa ungewöhnlich sind
Blickt man auf die Region Zentral- und Westafrika, wo das Virus unter Nagetieren hĂ€ufig ist, kommt es auch bei Menschen immer wieder â wenn auch vergleichsweise selten â zu Affenpocken-FĂ€llen [2].
Allein im Zeitraum zwischen Mitte Dezember bis Ende April kam es in LÀndern wie der Zentralafrikanischen Republik (6), Kamerun (25), Nigeria (46) sowie der Demokratischen Republik Kongo (1238) zu Dutzenden bis Hunderten FÀllen. Zumal auch hier mit einer deutlich höheren Dunkelziffer zu rechnen ist [2].
Das Virus ist in diesen LĂ€ndern âendemischâ. Das heiĂt, in diesen Regionen tritt die Erkrankung regelmĂ€Ăig auf, bleibt jedoch zahlenmĂ€Ăig ĂŒber die Zeit relativ konstant [6].
Auch ist es keineswegs so, als hĂ€tte es noch nie FĂ€lle von Affenpocken auĂerhalb Afrikas gegeben. So kam es bereits im FrĂŒhjahr 2003 zum ersten Nachweis von Affenpocken bei einer Person auĂerhalb des afrikanischen Kontinents. Damals war es zu einem Import von Nagetieren aus Ghana in die USA gekommen [3, 7].
Weitere âAffenpocken-Importeâ erfolgten laut WHO in GroĂbritannien (2022 und 2018), in den USA (2021), Singapur (2019) und Israel (2018). Meist handelte es sich dabei um FĂ€lle von infizierten ReiserĂŒckkehrer:innen, die das Virus unbemerkt einschleppten [3, 7].
Was die aktuellen FĂ€lle besonders macht, ist dagegen die schiere Zahl an gleichzeitig betroffenen nicht-endemischen LĂ€ndern sowie die fehlende âReiseanamnese in Endemiegebieteâ von Betroffenen. Ihre Ansteckung kann somit nicht in Zentral- oder Westafrika erfolgt sein [2, 3].Â
Ein Grund fĂŒr die nun vermehrte Ansteckung unter Menschen könnte sein, dass die aktuell zirkulierende Virusvariante ansteckender ist als bei in der Vergangenheit dokumentierten FĂ€llen, wo es kaum zu Mensch-zu-Mensch-Ăbertragungen gekommen war [3, 7].
Was sind Affenpocken?
Affenpocken sind insgesamt selten und werden durch das Affenpockenvirus âOrthopoxvirus simiaeâ oder kurz MPXV (von Engl. âmonkeypoxâ) verursacht. Das Virus ist mit den durch Impfungen seit 1980 erfolgreich ausgerotteten Pockenviren verwandt [3].
Es handelt sich bei den Affenpockenviren um eine sogenannte Zoonose. Das heiĂt, die Erreger können vom Tier auf den Menschen ĂŒbertragen werden. Im Fall des MPX-Virusâ erfolgt die Ăbertragung meist durch in Zentral- und Westafrika ansĂ€ssige Nagetiere [8].
Affen können sich zwar ebenfalls infizieren, sind dann jedoch âFehlwirteâ â tragen also nicht zur weiteren Verbreitung des Virus bei. Die Ăbertragung von Mensch zu Mensch ist dagegen ebenfalls möglich, erfordert jedoch in der Regel engen Körperkontakt [3, 9].Â
Der gĂ€ngigste â jedoch weiterhin seltene â Ăbertragungsweg zwischen Menschen entsteht durch direkten Hautkontakt mit einer mit Affenpocken infizierten Person. Da die Viruskonzentration in den typischen PockenlĂ€sionen (HautverĂ€nderungen) am höchsten ist, besteht bei Kontakt mit diesen auch das höchste Ăbertragungsrisiko [3].
In diesem Fall tritt das Virus dann ĂŒber meist kleinste Hautverletzungen bei der noch gesunden Person ein. Doch selbst wenn noch keine PockenlĂ€sion beim Infizierten besteht, kann das Virus per Tröpfcheninfektion ĂŒber Atemwegssekrete verbreitet werden. Die Ăbertragbarkeit ist hier allerdings deutlich geringer als bei typischen Atemwegserregern wie SARS-CoV-2 oder einfachen ErkĂ€ltungsviren [3].
Es ist bisher noch unklar, ob das Virus auch ĂŒber Sperma oder Vaginalsekret ĂŒbertragen werden kann. Vom Infizierten kontaminierte AlltagsgegenstĂ€nde können jedoch ebenfalls zu einer Infektion fĂŒhren â eine wichtige Information fĂŒr Menschen mit gemeinsamem Haushalt [3].
Symptome des Affenpockenvirus
Eine Affenpocken-Erkrankung unterteilt sich grob in ein âprĂ€eruptivesâ und ein âeruptivesâ Stadium. Der Krankheitsbeginn â also das prĂ€eruptive Stadium â zeichnet sich dabei durch grippeartige Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, gerötete Augen, Husten sowie geschwollene Lymphknoten aus [3, 4, 10].
Erst 1 bis 3 Tage nach Fieberbeginn geht die Erkrankung dann ins eruptive Stadium ĂŒber, welches durch einen pockenartigen Hautausschlag gekennzeichnet ist. Die HautverĂ€nderungen können dabei zeitgleich Flecken bis hin zu Pusteln entsprechen. Mit der Zeit können diese verkrusten und schlieĂlich abfallen [3, 4, 10].Â
Gesicht, HandflĂ€chen und FuĂsohlen sind dabei am hĂ€ufigsten betroffen. Andere Körperstellen wie zum Beispiel Mund, Augen oder Genitalien können jedoch ebenfalls befallen sein [3, 4, 10]. Â
Im Gegensatz zu den ausgerotteten Menschenpocken verlĂ€uft eine Affenpocken-Infektion in den meisten FĂ€llen milder und heilt innerhalb von durchschnittlich 2 bis 4 Wochen wieder folgenlos ab [3, 4, 10].Â
Krankheitsbedingte Komplikationen wie HirnentzĂŒndung, bakterielle Hautinfektionen sowie Augen- und LungenentzĂŒndungen sind jedoch in EinzelfĂ€llen möglich. Auch kann es selten zu TodesfĂ€llen kommen. Dies stellt jedoch klar die Ausnahme dar [3, 4, 10].
Ausblick fĂŒr den Sommer
Stand der Impfung
Da die Menschenpocken um 1980 mithilfe von Impfungen ausgerottet wurden, konnte die Impfkampagne im Verlauf eingestellt werden (BRD 1976, DDR 1982). Durch die Ăhnlichkeit zu den Affenpockenviren schĂŒtzen Pocken-Impfstoffe nun auch hier [3].
Jedoch besteht diese impfbedingte KreuzimmunitĂ€t höchstens fĂŒr Menschen, die mindestens 40 bis 50 Jahre alt und damals gegen Pocken geimpft wurden. JĂŒngere Menschen, die nicht in endemischen Gebieten wie Zentral- oder Westafrika leben, können dagegen nicht auf einen bestehenden Immunschutz hoffen [2].Â
Immerhin ist seit 2013 ein verbesserter Pocken-Impfstoff (Imvanex) in der EU zugelassen, welcher ebenfalls gegen Affenpocken wirkt. Er ist bisher ausschlieĂlich fĂŒr Erwachsene zugelassen und kann als sogenannte âPostexpositionsprophylaxeâ bei engen Kontaktpersonen eingesetzt werden [3].
Dabei sollte der Impfstoff insbesondere bei Menschen mit hohem Expositionsrisiko (wie medizinischem Personal) sowie Risikogruppen priorisiert zum Einsatz kommen [11].Â
Laut dem amerikanischen âCenter for Disease Controlâ (CDC) liegt der optimale Zeitpunkt fĂŒr eine Affenpocken-Impfung nach Exposition innerhalb der ersten vier Tage. Die Impfung kann jedoch noch bis zu 14 Tage nach dem engen Kontakt in ErwĂ€gung gezogen werden [11].
Aktuellen Meldungen zufolge hat die Bundesregierung insgesamt 240.000 Impfstoff-Dosen bestellt, wovon 40.000 bis Mitte Juni erwartet werden. Ein genaues Konzept fĂŒr die Impfpriorisierung bestehe derzeit jedoch noch nicht [12].
RisikoeinschÀtzungen von Expert:innen
Behörden wie das RKI oder die WHO gehen davon aus, dass die Fallzahlen im Verlauf der nĂ€chsten Monate zwar weiter ansteigen werden. Jedoch wird eine GefĂ€hrdung fĂŒr die breite Bevölkerung derzeit als gering eingeschĂ€tzt [1, 2].
Dies liegt zum Einen daran, dass die meisten VerlĂ€ufe nicht schwer sind. Zum Anderen ist fĂŒr die Ăbertragung des Erregers nach derzeitigem Wissensstand meist ein enger Kontakt erforderlich. Hierdurch scheint es möglich, den Ausbruch mit konsequenter Kontaktverfolgung und Isolierung begrenzen zu können [1, 2].
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Ă€uĂerte sich hierzu jĂŒngst eindeutig: âIch glaube nicht, dass die Affenpocken wirklich eine Gefahr darstellen im Sinne einer Pandemie. Das Potenzial ist da nicht daâ [12].
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.