KI-Ansätze in der Wirkstoffforschung: Von der Zielidentifikation bis zur Moleküloptimierung
Mithilfe von KI und Algorithmen neue Medikamente und gezieltere Therapien entwickeln zu können, birgt gigantisches Potential. Sichtbar war eine solche Entwicklung schon bei den schnellen Erfolgen bei der Covid-19-Impfstoffentwicklung. So half KI beim deutschen Biotech-Unternehmen Biontech, Muster in bestimmten Gesundheitsparametern von Patienten zu erkennen. Auf deren Grundlage wurde der Covid-Impfstoff entwickelt.
Einen der wichtigsten Beiträge leistet die KI zur Pharmaindustrie in der frühen Phase der Wirkstoffforschung. Moderne KI-Methoden zur Arzneimittelforschung nutzen multimodale Daten – wie aus Genomik, Proteomik und Patientenakten –, um neue biologische Targets zu entdecken. Deren KI-basierte Zielidentifizierung ermöglicht es Forschern, vorherzusagen, welche Proteine oder Signalwege eine entscheidende Rolle im Krankheitsverlauf spielen, und ermöglicht so ein präziseres Medikamentendesign.
Sobald potenzielle Ziele identifiziert sind, kommt die Moleküloptimierung durch KI ins Spiel. Modelle des maschinellen Lernens simulieren chemische Wechselwirkungen, prognostizieren Bindungsaffinitäten und schlagen Modifikationen zur Verbesserung von Stabilität, Wirksamkeit und Sicherheit vor. Dieser computergestützte Ansatz reduziert die Anzahl der Verbindungen, die im Labor synthetisiert werden müssen, erheblich und beschleunigt so den Übergang von der Hypothese zum Leitkandidaten.
Generative KI und De-Novo-Wirkstoffdesign: Neue Moleküle aus digitalen Entwürfen
Über die Optimierung bekannter Moleküle hinaus kann die lernfähige KI völlig neue Moleküle entwickeln. Generatives KI-Moleküldesign nutzt fortschrittliche neuronale Netzwerke, um neuartige chemische Strukturen mit wirkstoffähnlichen Eigenschaften zu entwickeln. In der De-Novo-Wirkstoffentwicklung nutzen Forscher die KI-basierte Molekülgenerierung, um chemische Strukturen zu erforschen, die über menschliches Vorstellungsvermögen hinausgehen.
Ein bemerkenswertes Beispiel ist das von Microsoft und Novartis gemeinsam entwickelte MoLeR-Modell. MoLeR ist ein graphenbasiertes neuronales Netzwerk für maschinelles Lernen, das die In-silico-Konstruktion von Molekülen ermöglicht. In-silico bedeutet, dass die Konstruktionen auf einem Computer oder mithilfe einer Computersimulationssoftware durchgeführt werden. Durch die Priorisierung der vielversprechendsten Verbindungen reduziert das Modell den kostspieligen Laboraufwand drastisch. Das beschleunigt nicht nur die Forschung, sondern eröffnet auch Möglichkeiten für neuartige Therapien, um medizinische Bedarfe zu decken.
KI-gestützte klinische Studien und Arzneimittelsicherheit
KI verändert auch die späteren Phasen der Entwicklung, insbesondere klinische Tests und die Überwachung nach der Markteinführung. KI-Plattformen für klinische Studien nutzen prädiktive Analysen, um das Studiendesign zu optimieren, geeignete Patientengruppen zu identifizieren und die Therapietreue zu überwachen. Dies trägt dazu bei, die Abbruchquoten zu senken und die Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu verbessern.
Im Bereich der Arzneimittelsicherheit werden KI-basierte Arzneimittelsicherheitssysteme eingesetzt, um unerwünschte Ereignisse durch die Analyse elektronischer Patientenakten, Social-Media-Beiträge und realer Daten früher zu erkennen. Darüber hinaus automatisieren KI-basierte Tools die Erfassung und Klassifizierung von Sicherheitsdaten und gewährleisten so die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und erhöhen gleichzeitig die Patientensicherheit. Gerade Pharmakovigilanz-Tools sind besonders wichtig für die Überwachung der Sicherheit bei der Herstellung und Anwendung zugelassener Arzneimittel. Zusammen beschleunigen diese Innovationen die Zulassung und reduzieren die mit neuen Therapien verbundenen Risiken.
Ethische Herausforderungen und die Zukunft der digitalen Biologie
Das enorme Potenzial von KI in der Arzneimittelforschung ist unbestreitbar, wirft aber kritische ethische Fragen auf. Datenschutz, algorithmische Verzerrungen und Transparenz bleiben zentrale Herausforderungen, während KI immer stärker in die pharmazeutische Forschung integriert wird. Um das Vertrauen von Aufsichtsbehörden, Klinikern und Patienten zu stärken, ist es entscheidend, dass KI-gestützte Erkenntnisse erklärbar und vertrauenswürdig sind.
Die Zukunft der KI in der Arzneimittelentwicklung liegt in der Konvergenz von Biologie, Informatik und Datenwissenschaft – einem wachsenden Feld, das oft als digitale Biologie bezeichnet wird. Da sich der KI-Einsatz in der Pharmaindustrie weiterentwickelt, prognostizieren Forscher eine Zukunft, in der In-silico-Modellierung, patientenspezifische Simulationen und Echtzeit-Datenintegration die Arzneimittelentwicklung dominieren werden. Dieser Paradigmenwechsel verspricht schnellere, sicherere und personalisiertere Behandlungen als je zuvor.
Fazit: KI beschleunigt und verbilligt die Entwicklung von Medikamenten. KI ist dabei nicht länger nur ein unterstützendes Instrument in der Arzneimittelentwicklung – sie entwickelt sich zu einem zentralen Innovationstreiber. KI ermöglicht intelligentere Forschung, effizientere Studien und sicherere Medikamente und verändert so die Pharmabranche. Mit der Weiterentwicklung der digitalen Biologie wird die Synergie zwischen menschlicher Expertise und maschinellen Möglichkeiten die nächste Ära medizinischer Durchbrüche prägen.
KI und experimentelle Biologie bilden einen Lernkreislauf. Das nächste Jahrzehnt der KI-basierten Arzneimittelentwicklung wird durch dessen umfassende Wechselwirkung geprägt sein. Dies wird den Arbeitsablauf schrittweise verbessern und Erkenntnisse generieren, die Wissenschaftler in jeder Phase der Arzneimittelentwicklung überwachen und analysieren können.
Die digitalen Lösungen von Data4Life machen Gesundheitsdaten recherchierbar und fördern evidenzbasierte Medizin.
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.
Ursprünglich veröffentlicht am